Blütenrausch (German Edition)
Hochzeitsdekorationen.
» Da Ihre Hochzeit im Winter stattfindet, also in einer kalten Jahreszeit, sollte das Dekor das Thema Wärme und Behaglichkeit aufgreifen«, fing ich an. »Ich hatte an robuste Kerzenhalter, silberne Kandelaber, schwere Stoffe und als Kontrast künstliche Eiszapfen gedacht. Alles mit Moos und weißen Rosen, kombiniert mit Orchideen oder Christrosen. Was halten Sie davon?«
Frau Kunzendorf verwandelte sich augenblicklich von der kühlen Geschäftsfrau in eine entzückte zukünftige Braut und klatschte aufgeregt die Kuppen ihrer kleinen dicklichen Finger gegeneinander.
» Fabelhaft! Das hört sich fabelhaft an, nicht wahr?«, fragte sie und wandte sich dabei an die Blumenverkäuferin, die, nachdem die Kundin gegangen war, sich jetzt zu uns setzte.
Als s ie sich mir als Rosi vorstellte ‒ jetzt wusste ich übrigens auch, warum der Laden so hieß ‒, verliebte ich mich sofort in ihre makellosen weißen Zähne, die ihrem Lachen etwas Edles verliehen. Abgesehen von ihrem Mund und ihrer lockigen Kurzhaarfrisur, besaß sie aber keine anderen Merkmale, die sie besonders attraktiv machten. Sie sah sich kurz die Bilder an, die vor Frau Kunzendorf lagen, dann stand sie auf, ging hinter die Theke und kam mit einem Ordner zurück. Während sie darin blätterte, sprangen mir ihre Fingernägel ins Auge, die vom Stängelschneiden innen grün verfärbt waren.
» Nett«, antwortete sie erst jetzt auf Frau Kunzendorfs Frage. »Was halten Sie aber davon?« Sie zeigte auf ein Bild mit einer Tischdekoration, die gelbe Rosen als Hauptakteure präsentierte.
» Also meiner Meinung nach ...«
Ich wollte auf diplomatische Art und Weise gerade sagen, dass gelbe Rosen etwas kitschig wirken, aber Frau Kunzendorf ließ mich meinen Satz nicht zu Ende ausführen: »Herrlich, doch, sehr schön. Das gefällt mir auch sehr gut.«
» Gelb ist die Farbe der Sonne, der Wärme, Harmonie und Stabilität«, meinte Rosi. »Es ist auch die Farbe der Weisheit und Erkenntnis. Das wirkt positiv auf Ihre Gäste und verhilft Ihrer Beziehung zu einem glücklichen Anfang.«
Was war das denn? Hatte Rosi ihren Beruf verfehlt und wollte eigentlich Farbtherapeutin werden? Bevor ich jedoch meine Meinung dazu äußern konnte, hatte Frau Kunzendorf ein anderes Bild in Rosis Ordner entdeckt, das ihr vor Verzückung erneut das Herz aufgehen ließ.
» Das ist aber schön! Schauen Sie mal, Frau Trautheim.«
Was ich da sah, gefiel mir gar nicht. Nichts gegen rosafarbene Rosen, aber diese mit Schleierkraut und Perlen zu kombinieren, entsprach nicht so meinem Geschmack. Doch ehe ich den Mund aufmachen konnte, kam mir Rosi wieder zuvor: »Rosa ist die Farbe der Herzensliebe und des Optimismus. Es weckt Erinnerungen an das rosafarbene Zimmer jedes kleinen Mädchens und an den Wunsch jeder Frau, einmal als Prinzessin zu heiraten.«
Das geht mir jetzt zu weit. Bevor sie noch mehr Quatsch erzählte, wollte ich dem ein Ende setzen und meine Professionalität wieder ins Spiel bringen. Aber Frau Kunzendorf entdeckte in der Bilderansammlung wieder ein Motiv, diesmal war die Dekoration in Grün gehalten. Sie quietschte vergnügt, und ohne mich zu beachten, bat sie Rosi um ihre Meinung. So langsam fragte ich mich, was ich hier überhaupt tat. Meine Ideen und meine Person fühlten sich eine ganze Weile lang überflüssig.
Nach zwei schwierigen Stunden, in denen wir alle Farbtöne, Blumen und Dekorationsvorschlägen durchgingen, entschied Frau Kunzendorf sich schließlich doch für meinen ersten Vorschlag , und ich konnte endlich ins Büro.
Bodo hatte gerade den Schreibtisch für sein Mittagessen gerichtet. Es gab Buletten und Kartoffelsalat. Er lebte noch bei seiner Mutter, und sie richtete ihm immer sein Essen. Jeden Tag ein anderes Gericht, welches zeitlich nie variieren durfte, und natürlich wollte Bodo auch nichts Neues ausprobieren. Das hätte seine festgefahrenen Essensgewohnheiten unterbrochen, und das konnte er nicht leiden. So musste er zum Beispiel jeden Montag Nudeln mit Pilzsoße und Salat, jeden Dienstag Buletten mit Kartoffelsalat und jeden Mittwoch Bratkartoffeln mit Würstchen essen. Wenn seine Mutter ihm aus Versehen beispielsweise am Montag die Bratkartoffeln gerichtet hätte, hätte er sie liegen lassen und wäre lieber mit leerem Magen nach Hause gegangen, als sie zu essen.
Bevor Bodo ein en Bissen zu sich nehmen konnte, musste sein Schreibtisch leer geräumt werden. Kein Bleistift, keine herumliegenden Hefte oder Ordner durften
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