Blütenrausch (German Edition)
Nichts wurde dem Zufall überlassen. Keine Gartenzwerge oder andere hässliche Elemente störten die Harmonie der Gartenplanung. Das Gärtchen entsprach dem Abbild eines englischen Landguts in Miniatur.
Am Eing ang des Häuschens standen rechts und links haufenweise Kräuter- und Lavendelkübel. Auf der linken Seite lehnte eine eiserne Bank an der Wand. Es gab nur zwei Fenster, mit hellblauen Klappfensterläden, die einen Blick ins Innere verhinderten. Die Tür war auch geschlossen.
Ich versuchte mein Glück und suchte unter der Fußmatte nach dem Schlüssel. Dort lag er aber nicht. Auch nicht unter den Kübeln oder hinter der Bank. Vielleicht gab es hier ja auch keinen Schlüssel zu finden, schoss es mir durch den Kopf, glauben daran wollte ich aber nicht so recht. Erfahrungsgemäß gibt es immer irgendeinen versteckten Schlüssel, wenn mehrere Personen ein Haus benutzen. Nur wo? Ich wedelte mit der Taschenlampe hin und her, auf der Suche nach einem möglichen Versteck. Vielleicht im Garten? Zu unsicher, bei Regen konnte der Schlüssel in der Erde versinken. Es musste am Haus sein. Ich durchsuchte alles noch mal gründlicher. Dann leuchtete ich mit der Taschenlampe die Wände hoch. Mein geschultes Auge blieb an einem der Fensterläden hängen. Eines der Klappelemente war nicht so dicht geschlossen wie die anderen. Ich pulte mit meinem Zeigefinger hinein und bewegte ihn hin und her, bis ich etwas Metallisches zu fassen bekam.
E in Schlüssel.
Und er passte tatsächlich in das Schlüsselloch.
Der kleine Raum im Häuschen war freundlich und feminin eingerichtet. Im hinteren Bereich gab es eine schmale Küche mit weißen Möbeln, einem Herd und einem hellblauen Kühlschrank Marke Smeg. Eine enge Tür führte in die Toilette, die kaum größer war als eine Besenkammer. Der Rest des Raumes diente als Wohnzimmer mit kleiner Essgelegenheit. Ein Zweisitzer in weißem Leder stand links neben der Tür; mitten im Raum, ein moderner runder Holztisch und zwei Designerstühle, die auf einem bunten Teppich mit floralem Muster platziert waren.
Ich wusste nicht, nach was ich suchen sollte, ich war dann auch gleich unsicher, ob ich hier überhaupt etwas finden würde. Es war alles aufgeräumt und sauber. Es lagen keine persönlichen Sachen herum, weder Bücher, Kleidung, Fotos oder sonst was. Es hätte genauso gut eine möblierte Laube sein können, die zum Verkauf stand.
Nachdem ich die Küche inspiziert hatte und nichts außer Küchengeräten in den Schränken sowie ein paar Coladosen im Kühlschrank fand, untersuchte ich den kleinen Wohnbereich.
Ich tastete vorsichtig unterm Tisch, jedoch ohne Erfolg. Außer einer Spur Staub befand sich unterm Teppich auch nichts. Die Wände waren sauber: Weder Bilder, hinter denen man suchen konnte, noch lose Bretter, hinter denen ein Versteck lauerte. Ich rückte das Sofa etwas nach vorne. Wieder Fehlanzeige. Als ich aber die Polster herausnahm, entdeckte ich einen doppelten Boden. Ich drückte mit beiden Händen nach unten und mit dem Druck löste sich ein Mechanismus, der es mir ermöglichte, den Boden nach oben zu schieben. Endlich fand ich Sachen, die verrieten, dass die Laube doch ab und zu benutzt wurde: Modezeitschriften, Cleenex, eine Cashmere Decke, Kerzen, ein paar Bücher und ganz unten, eine mittelgroße Schachtel. Mit der Taschenlampe im Mund holte ich sie heraus und legte sie auf den Tisch. Als ich sie öffnete und den Inhalt sah, staunte ich nicht wenig: Natalies Hochzeits-Sammelordner.
Wie viele andere angehende Bräuten hatte auch sie einen Ordner angelegt, mit Ideen, Bildern, handschriftlichen Notizen, Zeitschriftenausschnitten und Ähnlichem, um sich Anregungen für ihre Hochzeit zu verschaffen. Ich kannte ihn. Jedes Mal wenn wir uns trafen, hatte sie den Ordner dabei. »Mein Schatz«, wie sie es scherzhaft mit verstellter Stimme, in Anlehnung an Gollum aus "Herr der Ringe" , nannte. Was machte er hier? Warum hatte sie ihn nicht zu Hause gelassen? Offensichtlich hatte sie ihre guten Gründe, sonst läge er nicht im tiefsten Inneren eines Sofas versteckt, mitten in einer Berliner Laubenkolonie.
Plötzlich hörte ich draußen Geräusche. Sofort schaltete ich die Taschenlampe aus. Mein Herz fing an, schneller zu schlagen. Hatte jemand beobachtet, wie ich mich hier heimlich einschlich, oder womöglich Licht gesehen und die Polizei gerufen? Wenn ich keine glaubwürdige Erklärung parat hatte, wäre ich wegen Hausfriedensbruch dran. Noch schlimmer wäre es, überlegte
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