Blütenrausch (German Edition)
Frauen. Es waren nicht die gleichen, die ich von meinem ersten Undercoverbesuch schon kannte. Die eine, mit einem großzügigen Dekolleté, das ihre zwei üppigen Schlachtfeldwaffen gekonnt in Szene setzte, tippte auf ihrer Computertastatur und notierte gleichzeitig etwas auf einem Zettel. Die andere ähnelte einem Barbiepüppchen: Wasserstoffperoxid gefärbte lange Haare, Spitznäschen und aufgespritzte rote Lippen.
Als ich ihr sagte, ich wünschte Dr . Behring zu sprechen, grinste sie ihre Kollegin an und flüsterte hinter vorgehaltener Hand, das würde sie sich auch wünschen.
»Haben Sie einen Termin? «, fragte sie dann höfflich.
»Nein, aber Dr . Behring kennt mich.«
»Ich schau mal nach, ob er erreichbar ist. Wie ist Ihr Name, bitte?«
»Therese Trautheim.«
D ie Wasserstoffblondine wählte die Nummer von Natalies Mann. Einige Sekunden später hob er ab und sie kündigte mich an. Sie horchte einen Moment in den Hörer und es war nicht zu übersehen, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss. Hatten die beiden etwas miteinander oder flirtete sie immer so mit den Ärzten? Das sollte ich vielleicht herausfinden, dachte ich mir. Es könnte ja sein, dass es für den Fall wichtig war.
Nachdem die junge Frau aufgelegt hatte, sagte sie: »Dr. Behring erwartet sie jetzt in seinem Büro.« Als Jessica ‒ endlich fiel mir das Schildchen über ihrer Brust auf, das mir verriet, dass sie Jessica Bayer hieß ‒ bemerkte, dass ich mich nicht vom Fleck gerührt hatte, hakte sie nach: »Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
Ich lächelte sie an. »Sie könnten mir verra ten, wo sich Dr. Behrings Büro befindet.«
»Oh , entschuldigen Sie, bitte. Zweiter Stock, dritte Tür, links.«
Ich nahm die Treppe . Da ich in letzter Zeit meine sportlichen Aktivitäten grob vernachlässigt hatte, beschloss ich, dass Treppensteigen ab sofort ‒ egal, wo und wann ‒ jetzt als Sportersatz herhalten musste. Das war wichtig für meine Figur und für mein Selbstbewusstsein. Die Zeiten, in denen ich mich nicht genug bewegte, häuften sich zunehmend und manchmal schien es mir, als ob sich meine Fettpölsterchen nicht nur vergrößerten, sondern auch in Richtung Hirn wanderten und meinen Gedankenfluss schwer beeinträchtigten.
Ich wollte gerade an Behrings Bürotür klopfen, als die Tür abrupt aufging.
» Sie sind ja schon da«, sagte Behring überrascht. »Kommen Sie doch bitte rein.« Er begrüßte mich mit einem festen Handschlag. »Ich muss nur schnell etwas erledigen, ich bin aber gleich wieder bei Ihnen. Sie können ja schon mal Platz nehmen.« Er schloss die Tür hinter sich.
Ic h ließ mich auf dem Stuhl vor dem großen Tisch nieder, der, genauso wie die restlichen Möbel, aus Kirschbaumholz war. Auf der rechten Seite des Raumes befand sich eine Vitrine mit medizinischen Geräten; an der linken Wand, ein mit Büchern vollgestopftes Regal und unter der Fensterbank ein Sideboard auf dem eine Galerie von eingerahmten Fotos standen.
Während ich wartete, erhaschte ich einen Blick auf die Bilder. Auf einem waren Davids Eltern zu sehen; auf zwei anderen posierten Behring und drei Männer stolz auf einem prächtigen Segelschiff. Eine Gruppe Freunde prosteten sich auf dem vierten Bild zu und auf dem letztem, am Strand und unter Palmen, blickten Natalie und ihr Mann lächelnd und eng umschlungen in die Kamera.
Auf einmal überfiel mich ein Gefühl der Traurigkeit und des Bedauerns. Das verliebte Paar, das sich unter der karibischen Sonne geliebt hatte, würde es nie wieder geben. All die Versprechungen, die sie gemacht, und all die Hoffnungen, Pläne und Träume, die sie hatten, würden im Sand verlaufen.
Bevor ich weiter über die Ungerechtigkeiten des Lebens nachdenken ko nnte, ging die Tür auf und Behring erschien. Er setzte sich auf seinen Sessel und lächelte mich an.
»Bitte entschuldigen Sie nochmals, wir h aben heute sehr viel zu tun.«
Die überfüllten drei Taschen an seinem weißen Kittel, die jede Menge Kugelschreiber, Textmarker, Lämpchen und sogar das klischeemäßige Stethoskop enthielten, verrieten mir, dass er tatsächlich sehr beschäftigt war. Er sah müde aus. Feine, dunkle Ringe stachen unter seinen Augen hervor und er hatte sich vermutlich vorgestern das letzte Mal rasiert.
»Was kann ich für Sie tun? Sind sie krank?«
»Nein, nicht dass ich wüsste«, entgegnete ich mit einer ausholenden Handbewegung. »Ich werde selten krank. Warum ich hier bin ...«
Ich konnte mein en Satz nicht zu Ende sprechen,
Weitere Kostenlose Bücher