Blütenzauber und Liebeswunder: Roman (German Edition)
geisteskrank oder ein Masochist oder so?«
»Weder noch.« Unvermittelt nahm Dexter sie in die Arme. »Es war nur einfach dermaßen aberwitzig, dass ich darüber, nun ja, Dinge vergessen habe, von denen ich dachte, sie würden mich ewig verfolgen. Dafür bin ich dir wirklich dankbar.«
Wenn sie nicht so müde gewesen wäre, so verwirrt, durch alles so völlig aus der Fassung gebracht, hätte Frankie vielleicht nachgefragt. So aber war sie einfach nur glücklich, Dexters Arme um sich zu spüren. Er war warm und lebendig und real – außerordentlich real –, und in diesem Moment brauchte sie alle Realität und Normalität, die sie bekommen konnte.
»Gern geschehen. Und ich danke dir, dass du mir bei all diesem Zinnober geholfen hast. Auch wenn ich gedacht hätte, nichts könnte schlimmer sein als die Entdeckung, dass es wirklich Gespenster gibt. Ich wette, so etwas hättest du nicht erwartet, als du aus Oxford weggegangen bist, stimmt’s?«
Dexter schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich hätte so manches nicht erwartet, als ich aus Oxford weggegangen bin.«
Sie sah ihm in die Augen, und er sah in ihre. Sie waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Ihr Herz tat einen Hüpfer. Ach, wie hinreißend er war. Und wie wenig vertrauenswürdig.
Genau wie damals Joseph Mason.
»Tatsächlich?« Sie entwand sich ihm. »Klingt ja interessant. Darüber müssen wir uns wirklich mal ausführlich unterhalten. Tja, da wir nun mit den Toten alles geregelt hätten, sollten wir wohl besser die Lebenden aufwecken und für die letzten Stunden dieser Nacht nach Hause gehen.«
»Okay.« Dexter zuckte die Achseln, er hatte die Botschaft offenbar verstanden. Dann bückte er sich, um an Maisies massiger, kaftanbedeckter Schulter zu rütteln. »Ganz, wie du willst.«
Verflixt noch mal, fluchte Frankie innerlich, während sie Lillys schmale Hand packte und ihr den Daumen mit einem Plopp aus dem Mund zog. Wie blöd bin ich denn eigentlich?
»Geh weg«, murmelte Lilly. »Lass mich in Ruhe.«
»Wir gehen heim, Lilly.«
»Ach so?« Ächzend setzte Lilly sich auf, starrte einigermaßen überrascht auf die noch immer schnarchende Maisie und schaute dann zerknautscht von Frankie zu Dexter. »Oh … Wo bin ich? Wer bin ich? Ach, Gott sei Dank bin ich jetzt wach. Liebe Güte, Frankie, ich hatte einen wirklich schlimmen Traum.« Sie hickste. »Weißt du was, ich habe geträumt, dein ganzer Laden wäre voller Geister. Ist das nicht verrückt?«
20. Kapitel
Mit wildem Gesang wünschten Noddy Holder und seine Band Slade jedermann fröhliche Weihnachten. Knapp zwei Wochen vor dem Fest hatte Frankie nachgegeben und die Easy-Listening-Musik beiseitegelegt.
In Francesca’s Fabulous Frocks wurde gerockt.
An diesem bitterkalten Montagmorgen war Frankie in ihrem kurzen roten Wollkleid mit farblich passender Strumpfhose und Stiefeln fast festlicher Stimmung. Fast. Die Ereignisse von Samstagabend lasteten noch immer schwer auf ihr, und als sie das Geschäft aufgemacht hatte, war ihr einigermaßen mulmig gewesen.
Alles wirkte weitgehend normal. Die Kleiderständer waren noch immer etwas verschoben, einige Kleider hingen nach wie vor schief auf den Bügeln, und die im Raum verteilten Kerzen sowie der kleine Tisch und der Stuhl für Maisie standen unverändert da, aber abgesehen davon deutete nichts darauf hin, dass irgendetwas Ungewöhnliches vorgegangen war.
Von Ernie, Bev und den Übrigen war nichts zu sehen.
In der Hoffnung, dass Maisies stümperhafter Exorzismus vielleicht doch noch verspätet Wirkung gezeigt hatte und folglich alle miteinander glücklich ins Jenseits zurückgekehrt waren, rief Frankie ein munteres »Guten Morgen!« – nur für alle Fälle.
Niemand antwortete ihr.
Also schob sie die Greatest Christmas Hits in die Stereoanlage, räumte rasch Maisies Zubehör beiseite, brachte die Kleiderstangen in Ordnung und drehte das Schild an der Eingangstür auf GEÖFFNET.
Sie war gerade dabei, den Stapel glitschiger lila-goldener Tragetaschen unter der Theke aufzustocken, als sich die Tür öffnete.
»Guten Morgen, du Geisterjägerin«, rief Dexter laut, um Roy Wood mit Wizzard zu übertönen, die sich wünschten, es wäre jeden Tag Weihnachten. »Gute Musik. Sind wir allein?«
Frankie richtete sich auf und lachte. Dexter trug unter der Lederjacke ein hellrotes Sweatshirt. »Schnipp, schnapp! Schon wieder. Wir sollten uns wirklich per SMS über unsere Kleiderauswahl verständigen. Und ja, keine Spur von den, ähm, gespenstischen
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