BLUFF!

Studio zu inszenieren. Dieser »Dokumentarfilm« war clever gemacht, man interviewte Henry Kissinger und andere Größen der amerikanischen Politik, und alle machten bei diesem Gag mit. Der Film ließ den Zuschauer am Ende irritiert zurück. Erst im Abspann wurde alles aufgeklärt.
     
    Die Frage in all diesen Fällen war: Ist das jetzt wirklich wahr oder ist es in Wahrheit gefälscht. Die fiktive Welt und die reale Welt waren für viele Menschen nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Am 11. September 2001 stellte sich für nicht wenige Menschen auf der ganzen Welt, die auf ihrem Bildschirm die brennenden Twin-Towers in New York sahen, wenigstens im ersten Moment dieselbe Frage: Ist das Fiktion oder Realität? Hier war nicht die Fiktion für die Realität gehalten worden, sondern umgekehrt, die schreckliche Realität wirkte für Momente unwirklich nach dem Motto: Das darf doch nicht wahr sein! Aber trotz all solcher zeitweiliger Verunsicherungen haben die meisten den unerschütterlichen Eindruck: Was im Fernsehen vorkommt, das gibt es wirklich, und was da nicht vorkommt, kann nicht wirklich von Bedeutung sein.
    Wohl deswegen wollen heute immer noch so viele Menschen unbedingt irgendwie im Fernsehen auftreten, als gelte der Satz: Ich bin im Fernsehen, also bin ich! »Du bist im Fernsehen, und die ganze Welt ist live dabei«, sagt am Schluss der »Truman-Show« der Regisseur in anfeuerndem Ton zu Truman.
    Doch das ist ein Irrtum. Diese Welt ist eine Fälschung. Wer im Fernsehen vorkommt, kommt da gar nicht als er selber vor. Er spielt, ob als Moderator, als Talk-Gast oder selbst als Zuschauer bloß eine Rolle. Kaum jemanden scheint es zu stören, dass inzwischen jeder weiß, dass sogar der Beifall des Studiopublikums gefälscht ist. Die Leute werden vorher, beim sogenannten Warming-up, dazu angehalten, an bestimmten Stellen hemmungslos zu klatschen, zum Beispiel, wenn der Moderator, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts Beklatschenswertes geleistet hat, das Studio betritt. Und wenn in einer Sendung lange nicht geklatscht worden ist, dann gibt es da jemanden, der dafür bezahlt wird, einfach loszuklatschen – und alle klatschen mit. Niemand scheint darüber nachzudenken, dass so etwas natürlich jeden Beifall während solcher Sendungen völlig entwertet.
    Nichts ist echt in dieser höchst professionell gefälschten Welt. Besondere Fälschungen sind die sogenannten »Reality-Shows«. Die behaupten zwar vorlaut, die Realität abzubilden, doch in Wahrheit sind sie um nichts realer als die »Truman-Show«. Die angeblich naturbelassene Realität, die da abgefilmt wird, ist eine Realität vor der Kamera und damit immer eine künstliche Wirklichkeit. Und so kommt im Fernsehen gerade die für jeden Menschen entscheidende, nämlich die existenzielle Welt, überhaupt nicht vor:
     
    Echte Liebe kommt im Fernsehen nicht vor. Nun wird man sagen, dass es doch immerhin viele Liebesfilme im Fernsehen gebe. Doch wird da Liebe immer nur gespielt. Gewiss, man kann sich gefühlsmäßig hineinversetzen und sich sogar scheinbar in eine Fernsehgestalt verlieben. Doch diese Gestalt gibt es so ja gar nicht wirklich, sondern sie ist eine Kunstfigur und selbst wenn die Schauspielerin anschließend noch interviewt wird, ist sie das auch nicht wirklich selbst, sondern sie spielt da die Rolle: Ich privat. Weder kennt der Mensch, der im Fernsehen zu sehen ist, den Zuschauer so, dass er sich in diesen Zuschauer wirklich verlieben könnte, noch umgekehrt. Liebe findet im Fernsehen also in Wahrheit nicht statt. Sexszenen in Filmen zeigen übrigens niemals Sex innerhalb einer Ehe oder einer sonstigen stabilen Beziehung, sie dauern stets circa drei Minuten, und es klappt immer, es sei denn, es handelt sich um einen unverkäuflichen Problemfilm. Wenn das die wahre Welt darstellte, wäre die Zukunft der Menschheit rein biologisch definitiv am Ende. Filme fälschen die Welt. In der wirklichen Welt findet man ja auch nicht sofort einen Parkplatz direkt vor dem Restaurant und lässt das Auto dann unabgeschlossen stehen. Im Film tut das jeder.
     
    Auch das Böse und das Gute sind im Fernsehen nicht echt. Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass in den vergangenen Jahren sogenannte TV -Gerichtsshows Hochkonjunktur haben. Da bemüht sich dann eine echte Richterin bei einer wirr zusammenphantasierten Kriminalgeschichte um die Wahrheitsfindung. An diesen Shows ist buchstäblich alles falsch, die Angeklagten und die Ankläger, die Zeugen und das Publikum