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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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zwingen. Sie tat den ersten kleinen Schritt, schüttelte den Kopf, ganz in Gedanken, sodass ein Mann, der dicht an ihr vorüberging, fast stehen blieb, die Brauen senkte und ihr verwundert nachsah. Da erst gewann sie neue Kraft und wieder etwas Zuversicht.
    Sie rannte auf die Straße und wäre um ein Haar von einem Auto angefahren worden, wenn es nicht quietschend angehalten hätte. Der Fahrer sprang heraus und schimpfte. Waltraut stolperte davon, sie schniefte laut und lachte Tränen.

Everything okay
    D er Arzt zog Jockels Hemd hoch, setzte ihm das Stethoskop an die Brust und horchte konzentriert. Jockel fühlte sich sehr schwach, er japste jämmerlich mit seinem letzten Luftvorrat.
    »Na?«, machte der Arzt. Dann zog er die Haut unter Jockels Augen herunter und sah ihn prüfend an. »Das Fieber ist schon fast besiegt. Bist du daheim in die Jauchegrube geplumpst?« Er rief ins Nebenzimmer, die Tür dorthin stand offen: »Schwester Anneliese, einmal baden bitte, warm. Später noch mal Wadenwickel.«
    Die Krankenschwester antwortete mit heller Stimme. Jockel schämte sich unendlich, weil er stank und es auch selber riechen konnte.
    »Luft anhalten!« Jetzt wurde der Rücken abgehört.
    »Eine unserer Schwesternschülerinnen erzählt, dass sie dich kennt. Sie hat dich im Flur gesehen. Müssen wir uns Sorgen machen? Da war von Polizei die Rede. Weiter atmen, junger Mann!« Der Arzt hängte sich das Stethoskop um und klopfte Jockel ab. »Hast noch mal Glück gehabt, die Lunge ist okay .«
    Jockel sah ihn verwundert an. Okay . Das hatte er nur einmal gehört, als Helmuth einen Brief von Siggi vorgelesen hatte. »Hamburg ist okay .«
    »Okay«, wiederholte er wie ein braver Schüler.
    »Da staunst du, was?«, sagte der Arzt. »Lass das Hemd aus, das kommt in die Wäsche. Ich hab drei Jahre auf einem Schiff gearbeitet, da redet man oft ziemlich undeutsch, stell dir das mal vor. Wenn man die Weltmeere befährt, braucht man ein
bisschen Englisch, weißt du?« Er sah nicht aus wie jemand, der zur See gefahren war. Aber als Schiffsarzt, dachte Jockel, war das auch nicht nötig. Der Arzt war nicht besonders groß und kräftig, er war glatt rasiert und hatte eine feine Haut.
    »I want … sign … on«, sagte Jockel etwas schüchtern.
    »Nu sieh mal an! Der junge Patient hat Pläne. Mach mal den Mund auf. Weit!« Er spähte in den Rachen. »Du hast das to vergessen.«
    »Was?«
    » I want to sign on . Ich will anheuern.«
    Jockel sprach es sofort nach, so gut er eben konnte.
    »Gar nicht so übel. Not bad at all .«
    Auch das wiederholte Jockel ganz begierig. Dann fragte er: »Bin ich sehr krank?«
    »Jedenfalls bleibst du ein bisschen bei uns.«
    »Ich will nach Hamburg«, sagte Jockel leise und schielte nach der Tür ins Nebenzimmer.
    »Schwester Anneliese ist okay .« Der Arzt grinste. »She is okay.« Er sah den Jungen an. »Hast du was angestellt?«
    Jockel druckste. »Mein Bruder ist in Hamburg und sein Freund … Wir wollen anheuern, nach Amerika. New York .« Er überlegte, wie sehr leichtsinnig es war, diesem fremden Mann sein Geheimnis zu verraten. Aber die Art, wie der Arzt mit ihm redete und wie er schaute, hatte Furcht und Misstrauen fast verschwinden lassen.
    »Wenn du mir versprichst, schnell wieder gesund zu werden, bringe ich dir ein paar Brocken bei, die du auf See gebrauchen kannst. Was willst du denn drüben machen?«
    »Hochhäuser bauen.«
    »Gar keine Angst vor Negern?«
    Jockel lachte bloß, es tat ein bisschen weh. Er hustete.

    »Also ein ganz weltoffener Mensch, ein Humanist in unseren Reihen«, stellte der Arzt fest. »Erst kriegst du was zu essen, damit du wieder zu Kräften kommst. Am liebsten würde ich dir ja einen ordentlichen Bourbon verordnen. Das ist amerikanischer Schnaps, der so einen Kerl wie dich ganz schnell wieder auf die Beine bringen würde. Aber wir sind nun mal im Krankenhaus.« Er beugte sich vor und lugte in das Nebenzimmer. Dann sagte er besonders laut: »Schwester Anneliese bringt dir jetzt was anzuziehen und zeigt dir das Badezimmer und dann den Krankensaal!« Dann fügte er normal hinzu: »Ich spreche draußen auf dem Flur mit deinem Vater.«
    Jockel erklärte, wer die beiden Erwachsenen waren.
    »Und deine Eltern?«
    Jockel schüttelte den Kopf.
    Der Arzt flüsterte. »Also doch die Polizei?« Zum Glück fragte er nicht weiter nach, stand auf und ging zur Flurtür.
    Korff tauchte bei ihm auf.
    »Die Lunge ist nicht angegriffen«, erklärte der Arzt. »Wir behalten ihn trotzdem

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