Blumen für den Führer
Nadeln mit Kugeln an den Enden gesteckt worden waren.
Ihre Augen waren geschminkt. Es waren kleine Augen, aber der Bogen der Brauen war schön, und sie hatten lange
Wimpern. Die Lippen sprangen dunkel aus dem Gesicht, sie waren klein und passten nicht zur Stimme.
»Ist das der junge Mann, Renata?«, fragte sie, als sie an Jockels Bett stand. Sie hielt Reni eine große, blaue Tüte hin. »Das ist für dich. Damit du in Berlin was hermachst. Weißt schon.«
Reni war verlegen. Sie nahm die Tüte, sah hinein und wurde rot. Es war ein rotes Kleid, kein Kleid für junge Mädel. Die Farbe und der Stoff verrieten es ihr und sie konnte einen losen Träger sehen.
Jockel streckte seine Hand vor, um die Dame zu begrüßen.
»Um Himmels willen, Junge. Jockel, nicht wahr? Im Krankenhaus die Hand geben, das fehlte noch.« Sie senkte den Kopf, als sie ihn ansah. »Hast du noch nie etwas von Mikroben und Bazillen gehört? Händeschütteln ist das Allerschlimmste, habe ich gelesen.« Sie machte mit der Rechten eine schweifende Bewegung. »Überall Kranke, überall Schmutz, überall Ansteckung. Ein Wunder, dass ich hier hereingekommen bin. Igitt. Für Renata tue ich das. Sie ist es mir wert.« Die Dame lächelte. Dann sagte sie: »Ihr beide mögt euch, oder?«
Jockel fand die Frage peinlich und Reni sicher auch. Sie streifte seinen Blick, ihre Unsicherheit war leicht zu sehen. Sie schaute immer wieder in die Tüte.
Anneliese kam herein.
Nun wurde alles schlimmer. Jockel wusste kaum mehr, in welche Richtung er sich wenden sollte. Er zog das Plumeau hoch und drückte den Kopf ins Kissen.
»Hast du ihm erzählt«, fragte die Dame leise, »dass du nicht länger in dieser öden Gegend bleiben wirst?« Sie sah Jockel an. »Renata hat Pflichten. Aber ihr könnt euch ja Briefe
schreiben.« Sie kam noch näher heran. Jockel konnte ihren Atem riechen und wich ein Stück zurück. »Wenn du meine Meinung hören willst: Es wäre besser, ihr würdet euch nicht zu sehr aneinander klammern. Ich weiß, wie bös es ist, wenn ich das sage. Aber das Leben schlägt nicht immer die Richtungen ein, von denen du am meisten träumst.« Sie schien bemüht, Bedauern auszudrücken, und wandte sich an Reni. »Hat er Familie? Einen Namen, der ein bisschen nach was klingt? Natürlich nicht. Sonst würde er nicht in diesem grässlichen Saal liegen. Zwei Königskinder also. Nur dass er kein Prinz ist, sondern ein Knecht, ein echter Jockel.«
Die Dame schüttelte den Kopf und ihre schwarze Spitzenschleife funkelte. Es waren Splitter aus Perlmutt, die Jockel jetzt entdeckte. Es irritierte ihn. Er wusste nicht mal, wie er sich bewegen sollte. Die Dame hatte etwas, das ihn machtvoll anzog, während er sich zugleich von ihr abgestoßen fühlte. Ihr Blick schien ihm gefährlich, aber ihre Stimme hatte einen vollen, warmen Klang.
»Nun, Junge, ich hoffe, man sorgt gut für dich. Ich werde meinem Mann sagen, dass man ein Auge auf dich hält. Schön ist es hier ja nicht.« Sie trat vom Bett zurück und legte den Kopf schief. »Was ist denn das dort? Das da unten!«
Jockel war verwirrt. War ihm etwas aus dem Bett gefallen oder von dem kleinen Seitentisch?
»Krankenschwester!« Sie meinte Anneliese, die ein Stück entfernt ein Bett bezog. »Ja, Sie meine ich. Kommen Sie mal her! Sofort!«
Anneliese ließ die Arbeit liegen.
»Sagen Sie mal, was ist das denn dort unten? Sind das Speisereste? Vielleicht bücken Sie sich mal. Dahinten an der Fußleiste!«
Anneliese wurde feuerrot.
»Wenn das Speisereste sind, dann hat das Folgen«, rief die Dame. »Wo ist die Oberschwester?«
Anneliese stützte die Hände auf die Knie und bückte sich, so tief sie konnte.
»Mädel, ich habe Sie etwas gefragt. Eine simple Auskunft. Sagen Sie mal, wo sind wir hier eigentlich?«
»Die Oberschwester ist im OP, Frau Verwaltungsdirektor«, sagte Anneliese. Jockel konnte ihre Angst aus dem Gesicht ablesen.
»Aha. Ich verlange, dass dieser Dreck umgehend weggemacht wird.« Die Dame hatte Flecken auf den Wangen. »Tu mir einen Gefallen, Junge, pack deine Siebensachen zusammen. Du kannst ihm helfen, Renata. Dein junger Freund bekommt ein Zweibettzimmer, dafür sorge ich. Das ist ja unzumutbar. So viel Komfort können wir noch bieten, basta.« Sie beobachtete Anneliese. »Und Sie, junges Fräulein? Haben Sie diesen Dreck dort nicht gesehen? Ich frage mich, wie so etwas möglich ist. Sie werden damit rechnen müssen, dass ich meinem Mann von diesem Vorfall berichte. Natürlich ist mir auch
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