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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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die Oberschwester eine Antwort schuldig.«
    Anneliese bat leise um Entschuldigung; es tat Jockel weh, sie so zu sehen.
    »Ich werde sofort einen Eimer holen, Frau Verwaltungsdirektor.«
    »Das hoffe ich.«
    Jockel konnte nur gehorchen, genau wie Anneliese. Er sammelte seine Sachen zusammen, wechselte mit Reni ein paar Blicke. Die Verlegenheit machte ihre wunderschönen Augen stumpf. Was mitzunehmen war, passte in zwei Hände. Frau von Treschke stöckelte zur Flügeltür und Reni folgte ihr wie
aufgedreht. Jockel ging ihr barfuß nach, seine Schuhe hielt er in der Hand. Er fühlte sich, als wäre er verhaftet worden.
    Er sorgte sich um Reni. Zwar hätte er keinen bestimmten Grund nennen können. Aber diese Dame mit ihrer federleichten schwarzen Schleife auf dem blonden Haar, mit dem scharf geschnittenen Mund und dieser Scherenklingenstimme – sie schien ihm regelrecht gefährlich.

Die grün-blaue Frau
    D raußen auf der Straße, zwischen all den Menschen, tauchten plötzlich links und rechts zwei Männer in Zivil auf, murmelten etwas Unverständliches und packten Waltraut an den Oberarmen. Es tat ihr weh. Sie wurde einfach abgeführt und war vor Schreck gelähmt und stumm. Angst und Empörung überfielen sie.
    Man führte sie zu Fuß quer durch die Innenstadt, die Leute schauten her und Waltraut schämte sich. Immer wieder zeigten Kinder mit ausgestreckten Fingern auf sie hin und stellten ihren Müttern Fragen. Die Mütter zogen sie schnell fort, als wäre die Verhaftete auch über die Distanz gefährlich. Noch quälender empfand sie ihre Angst, was nun mit ihr geschehen würde und warum sie eigentlich verhaftet worden war.
    Dass Kiank hinter allem steckte, war gewiss. Sie hatte ihn ein zweites Mal gesehen, als sie das Krankenhaus verlassen hatte. Er lungerte die ganze Zeit herum und spähte rauchend zu ihr her. Korff war kurz vor ihr aus dem Hof gefahren. Sie hatte das Knattern des Gespanns gehört und wie es von
den Häuserwänden erst zurückgeworfen und verstärkt und schließlich schwächer wurde, als das Motorrad durch die Ausfahrt auf die Straße fuhr.
    Waltraut fror. Sie zitterte am ganzen Leib, unsicher, ob es wirklich Kälte war oder die sonderbare Atmosphäre in dem Raum, in den man sie unhöflich geschoben hatte mit dem Befehl zu warten.
    Das Büro war klein. Auf der Fensterbank blühten Stiefmütterchen, gelbe und purpurne ulkige Gesichter. Der Mann hinter dem Schreibtisch atmete geräuschvoll, blickte manchmal hoch oder stand kurz auf und zog einen Aktenordner aus dem Schrank, stellte einen anderen zurück. Die Stuhlbeine kratzten auf dem Dielenholz. Die Minuten zogen sich. Der Mann war nicht mehr jung und hatte dunkle Augenringe, das Gesicht war kreideweiß, die Lippen waren kaum zu sehen.
    Zweimal war die Zimmertür geöffnet worden. Ein Beamter kam herein, sah Waltraut gar nicht, legte Papiere auf den Tisch oder nahm welche fort. Gesprochen wurde nichts.
    Das Fenster war ein Stück geöffnet. Im Hof echote eine krächzende Stimme aus einem Rundfunkempfänger: Namen, Zahlen, wie es schien, schrilles Trillerpfeifen und der Jubel einer Menschenmenge. Es war offenbar eine Direktübertragung aus dem Olympiastadion. Die Stimme klang, als würde sie verkehrt herum in einen Trichter gesprochen und zusammengepresst und dann in Brocken durch das Mundstück in die Luft gestoßen.
    Waltraut hatte Angst, aber die Angst versteckte sich in ihr. Bislang hatte niemand ihr gesagt, warum sie festgenommen worden war. Als sie anfangs höflich nachgefragt hatte, war sie barsch abgewiesen worden. Sie hatte Durst bekommen, ihr Mund fühlte sich rau an und die Zunge klebte pelzig.

    »Entschuldigung, darf ich Sie um ein Glas Wasser bitten?«
    Der Beamte blickte hoch. »Ja, natürlich. Ich hätte selber fragen können, verzeihen Sie. Wenn Sie mich nur das hier fertig machen lassen …«
    »Selbstverständlich. Vielen Dank«, sagte Waltraut. Sie horchte auf die Rundfunkstimme draußen. Vielleicht gelang es ihr herauszufinden, welcher Wettkampf gerade übertragen wurde. Eine Schreibmaschine klapperte im Zimmer nebenan. Der Stuhl, auf dem sie saß, war hart, ihr Rücken schmerzte, ihre Hände waren feucht. Eine Stubenfliege klopfte von innen an das Fensterglas. Sie fand den Spalt nicht, der ins Freie führte.
    Als einzigen Namen verstand sie Masterbroek. Es musste Schwimmen sein. Der Reporter redete von Bahnen, Kraul und Wende. Waltraut dachte an die Schulzeit. Wie sie sich geweigert hatte, mit den anderen zu schwimmen. Wasser

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