Blumen für den Führer
– aber in einer Ecke des Fahrstuhls stand ein Riese mit schwarzem, kahl rasiertem Schädel, seine Lippen waren groß wie Eierkohlen. Er war in bunte Tücher gehüllt, deren Falten bis auf den Boden reichten. Die Augen waren kugelrund und leuchteten so weiß wie seine Zähne, die Reni plötzlich sehen konnte, weil er freundlich lachte. Sie ging hinein und drückte ihren Rücken an die andere Wand, nur ja von ihm entfernt. Die Tür fuhr klappernd zu, das lotrecht fahrende Gefängnis glitt seufzend in die Tiefe.
Natürlich dachte sie an Lambarene und die Negerbuben, aber der Mann im Lift war keine Fantasie. Sie hatte Angst vor ihm, bemühte sich jedoch, dagegen anzukämpfen. Als in der Eingangshalle die Tür geöffnet wurde, konnte sie nur flüchten und schämte sich dafür. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging sie schnell zur Rezeption. Mit letzter Atemluft stellte sie die Frage nach den Kinofilmen. Unverzüglich wurde eine Zeitung hergebracht und aufgeschlagen. Im Lichtspieltheater Ufa-Palast in der Hardenbergstraße finde am Freitag eine Erstaufführung statt: Das Schloss in Flandern mit Martha Eggert und Otto Wernicke. Reni wurde gefragt, ob man vom Hotel aus reservieren solle. Sie bestellte zwei Logenkarten und ging zurück zum Lift; der Negerriese war zum Glück verschwunden.
Als die Tür aufgeschoben wurde, traten zwei junge Soldaten höflich zur Seite und gaben ihr den Vortritt. Der Mund des einen war weich geformt. Beide trugen Gewehre über der Schulter und streiften immer wieder Renis Blick. Etwas verlegen, wie ihr schien. Reni fasste sich ein Herz und schüttelte
den Kopf, als der Liftjunge in ihrem Stockwerk hielt und die Tür öffnen wollte. Der Käfig trug sie weiter hoch. Die Soldaten lächelten, Reni lächelte zurück, sie hatte keine Angst. In der obersten Etage boten sie erneut den Vortritt an. Sie dankte und bog links ab, horchte, ob sie ihr folgten oder in die andere Richtung gingen. Ihre abgedämpften Stiefelschritte wurden leiser. Die Gittertür ging zu, der Aufzug rasselte.
Reni blieb an der nächsten Biegung stehen. Am anderen Ende des Flurs standen die Soldaten mit anderen zusammen, sie hörte leise ihre tiefen Stimmen. Plötzlich kam Unruhe auf. Aus einer Zimmertür, die Reni nicht erkennen konnte, schob ein Hoteldiener einen Servierwagen auf den Flur hinaus. Es klirrte leise, als er näher kam. Geschirr vermutlich. Reni kehrte kurz entschlossen um, ging zu dem Aufzugschacht zurück und klingelte. Auf dem Servierwagen befanden sich eine Kaffeekanne, eine Tasse und ein Frühstücksteller mit Besteck, in einem viereckigen Metallkorb lagen Eierschalen, Weißbrotreste, eine zusammengeknüllte Serviette; auf einem zweiten Teller lagen ein paar unberührte Käsescheiben, deren Ecken etwas angetrocknet waren.
Der Aufzug kam. Auch der Diener ließ Reni als Erste durch die Tür in das Gehäuse treten. Sie dankte ihm und schaute zu, wie er den Wagen vorsichtig bis in die Mitte schob. Während der Liftjunge die Tür zuzog, nannte Reni das Stockwerk ihres Zimmers. Da fiel ihr Blick auf einen kleinen Silberlöffel, der am Rand des weiß gedeckten Wagens lag.
Der Lift blieb stehen, sie waren angekommen. Die Tür ging auf. Der Durchgang zwischen dem Wagen und der Wand war schmal, sie musste seitlich gehen. Der Diener bat sie um Entschuldigung und schob das Hindernis ein Stück zur Seite, nicht überaus geschickt, er bückte sich dabei und schaute unten
auf die kleinen Wagenräder, sie standen vielleicht schief und sperrten sich.
Als Reni daran vorbeiging, flog ihre Hand zur Seite, dann stand sie in dem Flur und lächelte zurück. In ihrer Hand der Löffel. Weder der Junge noch der Diener hatten es bemerkt. Sie staunte selber über sich und fühlte, dass sie rot geworden war.
Der Lift fuhr los. Reni ging zur Zimmertür und nahm den Schlüssel aus der Seitentasche ihres Kleides. Eine kleine Weile blieb sie einfach stehen, unentschlossen, was sie ihrem Vater sagen sollte. Dann fiel ihr die Reservierung wieder ein. Sie ließ den Löffel in die Tasche fallen und schloss auf. Der Vater hörte sie, rief fragend ihren Namen. Sie sagte ihm, was sie erfahren hatte, und nannte auch den Film. »Ich muss ins Bad, Papa.« Sie verriegelte die Tür von innen, nahm einen Streifen vom Papier und wickelte den Silberlöffel darin ein. Dann überlegte sie, welches Versteck dem unschätzbaren Wert der Beute angemessen wäre.
Die Soiree
D er Donnerstag war da! Reni hatte tief und fest geschlafen.
»Dein ganz
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