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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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des Grafen. Nachdem er meine Mutter gezwungen hat, Gut Haardt zu verlassen und nach Berlin zu ziehen, ist sie krank geworden und gestorben. Tante Magda hat mich zu sich genommen und nie mehr ein einziges Wort mit dem Grafen … mit meinem Vater gesprochen. Frau Misera sagt, es tut ihm jetzt leid, aber ich glaube das nicht. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass der Graf mein Vater sein soll …« Sie lachte und weinte gleichzeitig. »Meine Mutter war sehr jung. Sie war ein Zimmermädchen, sagt Frau Misera.«
    Waltraut ging etwas näher. »Weißt du, was ich glaube? Dass du deinen Auftritt nächste Woche wirklich gut machen wirst. Davon bin ich ganz fest überzeugt, Reni.«
    »Danke, Fräulein Knesebeck.« Reni lächelte verlegen und sah zu Kiank hinüber, der sie beide aber nicht beachtete. Dann fügte sie hinzu: »Ich gehe jetzt rein und entschuldige mich.« Sie ging zur Tür. Dort drehte sie sich um. »Das mit Friedel wird auch wieder gut. Schließlich braucht man Freundinnen.«

    »Na klar«, rief Waltraut.
    Als Reni fort war, ging sie über den Hof und zwang sich, Kiank aus der Nähe zuzuschauen. – Um mich abzuhärten, befahl sie sich im Stillen.

Wellblech
    H ochverehrter Herr Doktor Schweitzer«, erzählte Reni leise und im Dunkeln, und alle horchten aufmerksam. »Kürzlich wurde uns zugetragen, dass Ihre aufopfernde Tätigkeit im afrikanischen Urwald gefährdet sei, weil die Dächer Ihrer Häuser aus Gras und Schilf gemacht sind und der dortigen Witterung auf Dauer nicht standhalten können.«
    »Das denkst du dir aber nicht bloß aus, Reni, oder?«, fragte Janka von links.
    »Wach bleiben und zuhören!«, befahl Karin leise von oben herab.
    Reni erzählte weiter. »Es wäre doch eine Schande für das deutsche Volk, wenn es nicht ganz viel Wellblech von bester Qualität mit einem Dampfer nach Afrika transportieren könnte, um diesen Notstand aus der Welt zu schaffen. Für den Fall, dass Sie nach wie vor Blechdosen und Schraubgläser benötigen, um darin Medizin aufzubewahren, bitte ich Sie, dies unserem Büro in der Berliner Staatskanzlei mitzuteilen …«
    »Glaubst du, der Führer hat die Bücher des Doktors gelesen?«, fragte Karin.
    »Du stellst vielleicht Fragen«, antwortete Hilde. »Was denkst du denn?«

    »Lieber Doktor«, fuhr Reni fort, »es liegt uns sehr am Herzen, Ihnen unsere Hochachtung zu zeigen. Wir denken natürlich wie Sie: dass alle Menschen gleich sind, mag Gott ihnen eine gelbe, rote, weiße oder eben schwarze Hautfarbe geschenkt haben. Ja, sogar die menschenfressenden Pahouhins in Ihrer Nachbarschaft dürfen von dieser universellen Liebe und Fürsorge nicht ausgeschlossen werden. Wir erfahren die Einzelheiten Ihres Alltags keineswegs nur aus Ihren eigenen Buchveröffentlichungen, wir erhalten auch Briefe Ihres Kollegen Doktor Anstorm und seiner Gattin, deren tatkräftige Unterstützung Sie haben und die, wie wir lesen, im Begriffe sind, eine Arznei gegen die berüchtigte Schlafkrankheit und das Schwarzwasserfieber zu finden. Unter den Bedingungen Ihres Urwaldspitals erscheint uns dieser Erfolg besonders l obenswert. Sobald wir nach den Olympischen Sommerspielen wieder etwas Zeit haben, werden wir eine Afrikareise planen und Ihr Spital besuchen. Mit den besten Wünschen für das weitere Gelingen verbleiben wir mit Deutschem Gruße*…«
    »Das hast du großartig erzählt, Reni«, bemerkte Karin.
    Alle, außer Friederike, flüsterten sich durcheinander zu, wie gewandt und vollkommen glaubwürdig dieser Brief des Führers geklungen habe.
    »Warum lässt du ihn immer wir sagen und nicht ich ?«, fragte Janka.
    »Staatsmänner und Könige sagen nur wir «, antwortete Reni.
    »Denkt ihr, dass er so einen Brief eines Tages vielleicht wirklich schreiben wird?«, fragte Hilde.
    »Was denn sonst?«, antwortete Janka ohne Zögern. Dann fragte sie: »Reni, hast du nicht Angst vor nächster Woche?«
    »Doch.«
    »Ich finde, du bist sehr mutig.«

    Plötzlich flüsterte Friederike von oben links: »Dieser Brief, den du dir ausgedacht hast, den könntest du doch aufschreiben und mit nach Berlin nehmen. Bestimmt würde er ihn lesen.«
    Reni war überrascht. »Schön, dass du mir nicht länger böse bist, Friedel.«
    »Ich werde dir sehr, sehr böse sein, wenn du nicht nach Berlin fährst und ihm von uns allen erzählst und ihm sagst, dass wir an ihn glauben und dass wir ihn alle, alle lieben. Tust du das?«
    »Aber ja«, antwortete Reni.
    Alle hörten, dass Friederike leise weinte.
    »Ich

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