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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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Janka plötzlich von unten herauf.
    »Reni erzählt mir Märchen.«
    »Die wollen wir alle hören.«
    »Du würdest sie nicht glauben.«
    »Ich will kein Märchen glauben, ich will es bloß hören.«
    »Dieses würdest du auch glauben wollen.«
    »Macht mich nur schön neugierig«, warnte Janka, »dann werdet ihr mich nie los.«
    »Die anderen schlafen«, sagte Reni. »Wir müssen auch.« Sie kletterte hinunter. »Es ist noch ein Geheimnis, Friedel, denk daran!« Sie kroch in ihr eigenes Bett.
    Janka protestierte: »Wenn Friedel es weiß, will ich es auch wissen!«
    »Du wirst es früh genug erfahren«, sagte Reni. »Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ein Wunder passiert ist?«

Der Sensenmann
    E s kam, wie es kommen musste. Helmuth fehlte überall: Jockel vermisste ihn, als er am Abend im Zimmer den Bruder nicht atmen hörte. Den Eltern fehlte er bei der Arbeit, die nun der Jüngere mit erledigen sollte. Was nicht zu schaffen war. Der Vater verlangte es trotzdem und gab der Mutter und Jockel die Schuld an Helmuths Flucht.
    Bauer Schlömer blies am Morgen in dasselbe Horn. Wenn es der Familie nicht gelinge, die Arbeit zu schaffen, werde er deshalb keinen zusätzlichen Knecht einstellen. Entweder das Tagwerk werde erledigt oder die Sache habe ernste Konsequenzen.
    Die Mutter weinte. Sie hörte erst auf, als ihr der Vater drohte. Danach beobachtete Jockel, wie sie im Hof einem Huhn nachrannte, dabei »Helmuth, Helmuth!« rief und auf eine Weise lachte, die Jockel Angst einjagte.
    Er wartete auf Post. Der erste Brief aus Hamburg würde in frühestens zehn Tagen bei Siggis Mutter in Schwarzerden eintreffen, so hatten sie es verabredet. Bis dahin würde er an den Mittagen für ein paar Minuten am Scheunengiebelfenster sitzen und zur Wasserkuppe hinüberschauen. Am Steuer seiner Fokker F36 . In Gedanken fliegen, träumen. Auch an Reni denken, ganz bestimmt.
    Als der Vater, zwei Knechte und er selbst am Morgen auf dem Leiterwagen zum Grasmähen fuhren, sah er weiter vorne einen Einspänner in Richtung Gut Haardt abbiegen. Ihm war, als säße ein blondes Mädchen darin, und als es zur Seite blickte, war er sicher, dass es Reni war.

    Er war verwundert. Wieso sollte sie zum Grafen fahren, noch dazu in einem seiner Wagen? Er machte sich Gedanken, stellte sie sich vor und merkte, dass es seinem Herzen einen Stich versetzte. Er sehnte sich nach ihr, er hörte ihre Stimme, sah die Farbe ihrer Augen, ihren Mund. Sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte, die Schönste bei der Feldarbeit, und er hatte viele Hübsche dort gesehen in den vergangenen Jahren.
    Das am Vortag geschnittene Gras war in der Nacht nass geworden und musste gewendet werden, bevor sie weitermähen konnten. Zusätzliche Arbeit also. Auch hier tat der Vater, als ob er, Jockel, es nachts hätte regnen lassen. An allem war er schuld, und er war froh, als der Vater am späteren Vormittag zurück zum Hof ging, um dort ein Dach zu reparieren. Ihn nur zu sehen und zu hören, löste Gefühle aus, vor denen sich Jockel mehr und mehr fürchtete, solange er die Sense in den Händen hielt. Er schämte sich zugleich. Es war nicht so, dass er den Vater hasste, aber er spürte dessen Verachtung, die ihm ins Herz drang. Er wusste weder aus noch ein mit den Empfindungen und schnitt nach dem Wenden das Gras mit einer großen Wut. Seine Kraft wollte gar nicht nachlassen. Er schnitt und rächte sich und stritt mit sich darüber, ob Helmuth mit seiner Flucht im Recht war oder nicht.
    Der jüngere der beiden Knechte rief herüber: »Dein Bruder hat uns schön im Stich gelassen, was? Jetzt wo es an die Ernte geht. Der feige Hund. Soll ja nicht wiederkommen, wenn’s ihm dreckig geht!«
    Jockel spuckte aus.
    Der Himmel zog sich zu, sie mussten sich beeilen. Er holte aus, mähte für Helmuth mit, der vielleicht schon bald bei Siggi in Hamburg war und im Hafen eine erste Arbeit, ein
eigenes Zimmer und demnächst ein Mädchen finden würde. Das ganze Lebensglück. Wie er ihn beneidete, dort tun und lassen zu können, was ihm gefiel.
    »Und du?«, maulte der Knecht. »Hast du auch solches Zeug im Kopf? Geschieht euch ganz recht, wenn der Vater euch verdrischt. Wenn du meiner wärst, würde ich dir die Fliegerei aus den Knochen prügeln.« Er stach die Sense in den Himmel. »Kann mir denken, wie die Herren Flieger dort hinten ihre Zeit totschlagen. Herrenflieger, faules Pack!«
    Jockel biss die Zähne aufeinander.
    »Die denken nämlich, sie sind etwas Besonderes, wenn

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