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Blumen für den Führer

Titel: Blumen für den Führer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Seidel
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sie vergnügt von oben auf uns herabschauen. Du Lümmel passt sowieso nicht zu ihnen, du bist nichts, weißt nichts, hast nichts. Die Sense steht dir besser als das Fluggerät.«
    Jockel ließ eine Weile vergehen, dann fragte er: »Hat dir mein Vater eingetrichtert, mir so was zu sagen?«
    »Ich kann schon selber denken!«
    »Ach so?«
    »Pass bloß auf!«
    »Mein Bruder weiß schon, was er tut.«
    »Wo ist er denn hin?«
    »Das werd ich dir bestimmt nicht sagen.«
    »Nach Bremen, Hamburg?« Der Knecht hieß Hannes und war erst vor einem halben Jahr auf den Schlömerhof gekommen. Er hatte sich bekannt gemacht, indem er gleich in der ersten Woche dem Viehjuden, der ab und zu auf den Hof kam und Bauer Schlömer Rinder und Schafe abkaufte, zwei Zähne ausschlug. Den Grund hatte Jockel nicht erfahren.
    »Nach Hamburg ist er, stimmt’s?«, rief Hannes. »Ich weiß es längst. Er will auf ein Schiff und die Welt kennenlernen,
dieser Spinner. Aber du wirst sehen, dass er wieder angekrochen kommt.«
    Jockel mähte. Er war schneller als der Knecht, der Abstand zwischen ihnen wurde kleiner. Der andere Knecht hieß Fritz und war ein stiller, älterer Mann. Er arbeitete entfernt, wendete noch feuchtes Heu und hörte schlecht.
    »Dein Bruder schuldet mir Geld«, rief Hannes. »Er hat sich vor zwei Wochen unten im Dorf vier Mark bei mir geborgt. Die musst du mir zurückgeben, wenn er nicht wiederkommt.«
    »Aber er kommt doch wieder, sagst du.«
    »Werd mal nicht frech! Vier Mark!«
    »Ich habe nichts«, sagte Jockel.
    »Helmuth hatte auch nichts, deshalb hat er es mir ja abgebettelt.«
    »Helmuth bettelt nicht.«
    »Das weiß ich besser. Ich gebe dir eine Woche Zeit. Dann geh ich zu deinem Vater. Hat Helmuth schon geschrieben? Er schreibt bestimmt. Ihr habt einen Ort verabredet, wohin die Briefe kommen, hab ich recht?«
    Jockel ließ die Sense sausen.
    »Eine Woche!«, rief Hannes. Er war jetzt so nah, dass Jockel hören konnte, wie er beim Mähen schnaufte. »Der wird dort oben sicher irgendeine Arbeit finden, dann hat er Geld. Und ich nehme nicht mal einen Judenzins. Gar nichts.«
    »Weil es nicht stimmt!«, rief Jockel. Er beeilte sich und kam Hannes immer näher.
    »Was stimmt nicht?«, fauchte der Knecht.
    »Dass du von Helmuth Geld bekommst.«
    Hannes ließ seine Sense auf den Boden sinken. Er schaute her, die Augen wurden schmal. »Jetzt hör mir mal gut zu, Kleiner.
Wenn du jetzt anfängst, mich als Betrüger hinzustellen, wirst du das schwer bereuen. Beantworte einfach den ersten Brief von deinem Bruder, und wenn er ein ehrlicher Kerl ist und will, dass dir nichts passiert, wird er es dir bestätigen. Vier Mark, vor zwei Wochen. In Maienbach war das.« Er zögerte. »Ich habe Zeugen.«
    Jockel blieb ebenfalls stehen und ließ die Sense ruhen. Er bebte innerlich vor Zorn. Merkwürdigerweise musste er jetzt an den Schweizer Onkel denken und dessen Pech, als er zu spät die Idee hatte, Räder in Raupenketten fahren zu lassen, um nicht im Morast zu versinken. Der Krieg hatte die Idee gefressen. Was, wenn er, Jockel, eine Maschine erfand, die an einem liegenden Rad zehn oder zwanzig Sicheln bewegte? Das Heu wäre im Nu gemäht. Aber freilich würde man damit auch in den Krieg ziehen können und Soldaten »mähen«.
    »Du bist ganz schön kess«, sagte Hannes.
    Jockel grinste frech. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten.
    »Ach so. Du denkst, der Fritz ist in der Nähe, da wird der Hannes mir nichts tun!« Der Knecht ließ die Sense fallen und kam auf Jockel zu. »Meinst du, ich lasse mich von so einem Rotzbengel angrinsen?«
    »Siehst du ja!«, sagte Jockel. Er ließ den Stiel seiner Sense los und tat einen Schritt zur Seite, um bereit zu sein. Er hatte keine Angst, er fühlte bittere Wut und Kränkung. Er musste wieder an Helmuth denken und wie er die Stockschläge des Vaters ertragen hatte, ohne zurückzuweichen. Klar war, dass er damit den Zorn des Vaters angestachelt hatte. Absichtlich. Im Blick des Bruders hatte Jockel keinen körperlichen Schmerz gesehen, nur die Enttäuschung. Das hatte Helmuth
stark gemacht. Der Vater hätte ihn totschlagen können und wäre dennoch der Verlierer gewesen.
    Jockel machte Fäuste. Hannes blieb vor ihm stehen und lachte überlegen, sicher, selbstgewiss.
    »Und nun?«, fragte der Knecht.
    Jockel zeigte keine Furcht. Er zwinkerte nicht einmal. Das ist das Schlimmste, dachte er, wenn einer keinen Schrecken zeigt. Jockel sah, dass Hannes zögerte. Er war erleichtert, dass er den

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