Blumen für den Führer
Führer ganz aus der Nähe und sehr genau anzuschauen und uns jede Einzelheit zu berichten, wenn sie wiederkommt«, fuhr Janka fort. »Sie darf nichts auslassen, das wäre gemein. Sie soll es so erzählen, als wären wir mit ihr dabei gewesen. Vielleicht bekommt sie ja
irgendwas von ihm geschenkt, das sie mitbringt und uns zeigen kann.«
»Was soll der Führer ihr denn geben?«, fragte Friederike.
»Ich weiß es nicht. Aber sie kann ihn doch um etwas bitten. Dann hätten wir alle etwas, das er mit seinen Händen berührt hat. Vielleicht ein Buch oder ein Taschentuch. Ich würde vor Aufregung sterben.«
»Er soll Reni ein Geschenk machen?« Friederike lachte sie aus. »Warum denn? Nur weil sie so schön ist? Weißt du, wie viele schöne Frauen dauernd in seiner Nähe sind? Und die sind keine Kinder.«
Janka schmollte.
»Sei nicht so gemein zu ihr, Friedel«, sagte Hilde.
»Ich stelle es mir auch nicht so einfach vor, Janka«, sagte Waltraut. »Aber es wird sicher eine tiefe Erfahrung, etwas, das Reni in Erinnerung bleiben wird.« Sie merkte, wie widerwillig sie es sagte. Dabei hatte sie die Mädel erst am Sonntag enttäuscht, als sie nicht richtig auf die Frage wegen der weggeschlossenen Bücher eingegangen war. Um ihre wahre Haltung zu äußern, dazu bedurfte es natürlich Mut und moralischer Standkraft, dachte sie, und davon hatte sie leider nicht sehr viel. Auch wollte sie die Mädchen nicht enttäuschen, indem sie zweifelte und durchklingen ließ, dass ihr vieles nicht gefiel an diesem Führer. Der Brot-Korff hatte recht. Natürlich.
Andererseits war sie womöglich neidisch und wollte es vor sich selbst nicht zugeben. Reni würde ein paar Sekunden lang im Zentrum der Welt stehen, und sie, Waltraut, witterte Gefahren, die es gar nicht gab!
»Jedenfalls finde ich es richtig, Reni«, sagte sie hastig, »wenn du dir die Mühe machst, jeden Moment der Begegnung im Gedächtnis zu behalten.«
»Das werde ich bestimmt«, sagte Reni. »Der Herr Graf hat mich für übermorgen Mittag zu sich auf Gut Haardt eingeladen. Ein Wagen holt mich ab.«
»Das ist wirklich schön«, bemerkte Waltraut.
»Da wird es Austern und Wachteln geben«, sagte Hilde.
»Woher weißt du das?« Janka schaute sie erstaunt an.
»Sie weiß es nicht, Dummerchen«, rief Friederike. »Sie hofft es für Reni. Wir hoffen alle mit ihr. Stellt euch nur mal vor, aus dieser persönlichen Begegnung wird eine Sympathie.«
»Meinst du den Grafen oder den Führer?«, fragte Karin.
»Beide. Ganz egal. Das wäre für uns gut.«
»Du musst nur beiden recht tief in die Augen sehen«, schlug Hilde vor. »Keiner wird dir widerstehen. Tu es nur einfach … für uns alle, Tausendschön.«
»Tu aber ja nichts, was du nicht willst«, meinte Friedel. »Niemand kann dich zu irgendetwas zwingen.«
»Was meinst du denn damit?«, fragte Hilde.
Statt Friederike antwortete Janka: »Dass man nur tun soll, was man versteht und was man selber will. Das Recht hat jeder Mensch.«
Waltraut mit ihren Zweifeln war beinah beschämt. Warum konnte sie nicht einfach froh sein, dass diese Mädel selbstbewusst und aufgeweckt waren, statt zu glauben, dass jedes Erlebnis riskant war und voller Tücken steckte? Die Mädchen lachten, alberten herum und freuten sich von Herzen über Renis Glück. Und sie, Waltraut, quälte sich mit Zweifeln!
»Du wirst ihn verzaubern, Reni«, sagte Hilde. »Aber er dich auch. Ich stelle es mir so vor, dass dich der Führer nur einmal direkt anblickt und du bist für immer verwandelt. Ich würde gar nicht mehr atmen können, wenn ich vor ihm stünde.«
»Ja, mach Reni ruhig viel Angst«, schimpfte Karin. »Damit sie dann in Berlin richtig nervös ist und sich am Ende verspricht, wenn sie etwas sagen muss, oder beim Gehen stolpert.«
»Glaubst du, sie muss etwas Bestimmtes sagen?«, fragte Janka.
»Das Beste wäre«, meinte Friedel, »wir überlegen uns zusammen, was sie sagen kann. Wir spielen es.«
»Ja, das macht Spaß«, sagte Karin.
»Und was zum Beispiel?«, fragte Hilde.
»Zum Beispiel«, antwortete Friederike, »dass sie etwas von sich erzählt: dass sie keine Eltern hat und in einem Pensionat leben muss und trotzdem Vertrauen in das setzt, was der Führer für uns alle tut. Das würde ihm bestimmt Freude bereiten.« Sie sah Waltraut an. »Nicht wahr, Fräulein Knesebeck?«
»Aber ja«, sagte Waltraut übereilt.
»Reni, du musst aber unbedingt deine Zeitungsfotografien von ihm mit nach Berlin …« Hilde schlug sich die Hände vor
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