Blumen fuer Polt
keine Gelegenheit für mich gegeben zu
sehen, was wirklich los ist. Zwischendurch ist mir dann eingefallen, daß ich
doch schleunigst meinen Helden und Retter von der glücklichen Heimkehr
informieren sollte.“
„Verkühl dich nicht!“
„Du hast Sorgen. Ein anderer Mann hätte jetzt kehlige
Laute ausgestoßen und sich von den Kollegen an den Schreibtisch fesseln
lassen.“
Simon Polt flüchtete sich in ein beredtes Schweigen.
Er hätte viel für einen pointierten Einfall gegeben, aber im Augenblick tat ihm
Karin ganz einfach leid. „Wie geht's dem Kopf?“
„Der ist wenigstens bekleidet, ganz in Weiß, wie du
dir denken kannst, und er tut auch nicht mehr so weh. Außerdem kommt mein Magen
schön langsam davon ab, das Essen postwendend zurückzuschicken.“
„Es war übrigens kein Unfall, Karin. Die
Frieb-Brüder haben das Vorderrad gelockert.“
„Reizend. Was haben die gegen mich?“
„Gar nichts vermutlich. Die wollten mich empfindlich
treffen, und das ist ihnen auch gelungen.“
„Man sollte sich eben nicht mit Gendarmen abgeben.“
„Du sagst es.“
„Sei kein Schwachkopf. Jetzt wird mir aber wirklich
kalt. Rufst du mich an, heute abend? Herrenbesuche empfange ich nämlich erst
wieder, wenn ich zumindest teilweise nicht mehr zum Fürchten bin.“
„Ich bin da nicht so empfindlich.“
„Ja, leider.“ Karin legte auf.
Simon Polt schaute versonnen vor sich hin, dann
schüttelte er ein verworrenes, doch recht reizvolles Gespinst aus Gedanken und
Träumen ab und erledigte den Rest der Tagesarbeit. Nach Dienstschluß bestieg er
sein Fahrrad, fuhr gemächlich Richtung Kellergasse, bog dann aber in einen
Güterweg ein, der am Talboden nach Brunndorf führte. Nach ein paar hundert
Metern bemerkte er einen verwachsenen Hohlweg, der sich nach Norden hin den
Hang hochzog.
Polt lehnte sein Fahrrad gegen einen Apfelbaum und
sperrte es ab. Die Sonne stand tief am Himmel, und es war fast schon sommerlich
warm. An den Rändern des Hohlweges wuchsen allerlei Stauden, und die Kronen der
Akazien bildeten ein Dach. Darunter war es schattig und ein wenig feucht. Polt
stapfte durchs wuchernde Unkraut, wich Brennesseln aus und drückte Zweige
beiseite, die über den Weg gewachsen waren. Weiter oben am Hang fand er sich
dann im Sonnenlicht wieder. Hier gab es nur noch vereinzelte Büsche und Bäume,
dazwischen war Mauerwerk zu sehen. Polt erkannte die aufgelassene Kellergasse,
die ihm Karl Gapmayr neulich gezeigt hatte. Preßhäuser in den
unterschiedlichsten Stadien des Verfalls säumten den Weg, dazwischen gab es
Kellertüren unter schlichten Mauerbögen. Polt schaute sich um und war guter
Dinge, umfangen von Sonnenwärme und Bienengesumm. Plötzlich hörte er ein
Geräusch neben sich und dann eine Kinderstimme. „Haben Sie eine Bewilligung,
Herr Inspektor Polt?“
Der Gendarm sah einen Buben, um die zehn Jahre alt.
„Eine Bewilligung? Wofür?“
„Für den Aufenthalt im
Niemandsland.“
„Niemandsland? Hier?“
„Ja. Niemand schert sich
drum. Nur wir tun das.“
„Und wer ist wir?“ Polt
setzte sich ins Gras. Der Bub blieb stehen.
„Ich bin der Anführer. Und
dann gibt es noch drei.“
„Ja, und diese Bewilligung... Könnte ich vielleicht
eine bekommen? Mir gefällt es hier.“
„Da muß ich mit den anderen reden.“ Der Bub musterte
Polt schweigend, dann wollte er gehen.
Polt stand auf. „He, Klaus. Ich wollte dich noch was
fragen.“
Der Bub war stehengeblieben. „Woher wissen Sie, wie
ich heiße?“
„Gendarmen wissen alles.“
„Glaub ich nicht!“
„Na ja, da hast du auch wieder recht.“
Langsam gingen die zwei den Hohlweg hinunter. Als
sie in die Schatten unter den Akazien tauchten, fragte Polt so nebenbei: „Kann
es sein, daß ich euch unlängst am frühen Nachmittag gesehen habe, in der Nähe
des Runhofs?“
„Natürlich kann das sein. Der Runhof steht unter Beobachtung.“
„Und warum?“
„Darf ich nicht sagen. Es ist ein Geheimnis. Aber
kein großes.“
„Große Geheimnisse gibt es
also auch?“
„Nicht viele. Nur drei.“
„Klingt aufregend.“
Klaus gab keine Antwort. Simon Polt machte kleine
Schritte, um auf dem feuchten Boden nicht auszurutschen. „Ihr kennt wohl jeden
geheimen Schlupfwinkel hier in der Gegend, nicht wahr?“
„Allerdings.“
„Auch die Höhle im Lößabsturz oberhalb der
Burgheimer Kellergasse?“
Polt hatte noch nicht ausgeredet, als Klaus mit
einem Sprung im Akaziengestrüpp verschwand und dann durch einen
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