Blumen Für Sein Grab
hatte ihm einfach nur zugesehen und war dann nach drinnen gegangen, um dem Baby Nevil seinen Tee zu machen. Es hatte ein wenig gequäkt, denn es hatte gespürt, dass etwas nicht stimmte. Molly hatte den ganzen Abend lang mit dem Baby im Arm dagesessen und gewusst, dass Nevil von diesem Tag an alles sein würde, was sie jemals haben würde. Bis zu jenem fernen Tag in weiter Zukunft, an dem er sie ebenfalls verlassen würde. In dieser Nacht jedoch, allein im Haus und ohne Nevil, hatte sie bis Mitternacht vor dem Fernseher gesessen. Es lief eine Diskussion über ein Thema, das sie nicht interessierte und ihr von untergeordneter Bedeutung erschien, gefolgt von einem gleichermaßen langweiligen Film. Die ganze Zeit über lauschte sie auf seine Schritte, auf das Klicken der Küchentür. Schließlich hatte sie zwei relativ große Gläser Whiskey gekippt und war zu Bett gegangen, hauptsächlich deswegen, weil sie fürchtete, dass Nevil, wenn er nach Hause kam und sie auf ihn wartend vorfand, erneut wütend werden und sie beschuldigen könnte, ihn wie ein Kind zu behandeln. Molly warf sich ruhelos in ihrem Bett hin und her.
»Wo um alles in der Welt treibt sich der kleine Lümmel wieder herum?«, fragte sie laut in die Stille hinein und klopfte ärgerlich ihr Kissen auf.
»Wohin kann er gegangen sein? Selbst dieses Pub unten in Church Lynstone hat inzwischen geschlossen!« Genauso wenig konnte er bei ihr, bei dieser Rachel, sein, denn Rachel hatte einen Hausgast. Also wo? Und mit wem? Wenn ich morgen Früh aufstehe, sagte sie sich, ist er bestimmt zu Hause. Wir frühstücken zusammen, und was immer auch geschieht, ich darf ihn auf keinen Fall – unter gar keinen Umständen! – fragen, wo er gewesen ist oder warum er so spät nach Hause gekommen ist. Ich muss die Tatsache respektieren, dass er ein erwachsener Mann ist! Doch es fiel ihr schwer, sich Nevil als erwachsenen Mann vorzustellen. Sie hatte ihn nie als Mann gesehen und würde ihn nie so sehen. Er war einfach nur Nevil … und er verhielt sich äußerst rücksichtslos! Auf der Stelle vergaß Mrs. James all ihre guten Vorsätze.
»Warte nur, bis du nach Hause kommst!«, versprach sie ihm rachsüchtig in die Dunkelheit des Schlafzimmers hinein.
»Die Polizei aus London kommt hierher«, sagte Nevil.
»Na und?« Die sorglose, leise Antwort klang ein wenig ver zerrt, weil die Sprecherin sich vor den Spiegel lehnte und ihre Lippen sorgfältig nachzog.
»Sie … ich weiß nicht. Sie wird überall herumschnüffeln.«
»Dann lass sie doch. Du hast nichts zu befürchten.«
»Vielleicht hört sie das Geschwätz der Leute … über Rachel und … und mich.«
»Du hättest dich nicht selbst in eine so dumme Lage manövrieren sollen, hab ich nicht Recht?«
»Hör mal!«, flehte Nevil.
»Ich dachte, du könntest mir helfen! Ich hatte bereits einen hässlichen Streit mit meiner Mutter. Sie versteht mich nicht, und ich kann es ihr einfach nicht er klären! Nichts läuft so, wie es soll, jedenfalls nicht für mich!« Ein Seufzen.
»Ist es das, weswegen du hergekommen bist? Um mir das zu erzählen? Nur um über etwas zu reden, das noch gar nicht passiert ist und wahrscheinlich niemals passieren wird? Sie wird der Polizei nichts von dir erzählen. Sie will doch die tugendhafte Witwe sein. Was das Geschwätz der Leute angeht, so musst du nichts weiter tun, als alles abzustreiten. Fertig.« Die Antwort war höchst unbefriedigend für Nevil, der das Kinn in die Hände sinken ließ und leise murmelte:
»Es ist nicht nur das! Es ist einfach alles! Ich dachte, nachdem er tot ist … na ja, er ist eben tot, und ich dachte, sie wäre froh über meine Hilfe und Unterstützung. Aber sie scheint mich nur zu brauchen, damit ich nach diesen Kanarienvögeln von Alex sehe! Ich dachte, vielleicht hast du eine Idee, was ich tun kann.«
»Du weißt selbst sehr genau, was du tun solltest. Du machst es nur nicht. Was würde es nützen, wenn ich es wiederhole?«, kam ihre ärgerliche Antwort.
»Ich liebe Rachel nun einmal!«
»Nein, tust du nicht!« Seine Gesprächspartnerin wandte sich vom Spiegel ab.
»Gib mir ein Tuch. Sie ist lediglich die einzige gut aussehende Frau, die du kennst. Das heißt …«
»Schon gut«, sagte Nevil mit müdem Lächeln, als er ihr die Kleenexschachtel reichte.
»Anwesende selbstverständlich ausgenommen.«
»Weißt du …« Das lippenstiftbefleckte Kleenex segelte in den Papierkorb. Röckerascheln, und sie setzte sich zu ihm auf das Bett. Ein schwacher
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