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Blumen Für Sein Grab

Blumen Für Sein Grab

Titel: Blumen Für Sein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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weitläufigen Rasen lag. Während sie hinsah, verließ eine Gestalt den Küchenflügel. Es war Mrs. Pascoe, und sie war angezogen, als wollte sie zum Einkaufen. Gillian sah, wie die Haushälterin in einen kleinen Mini stieg, der neben der Küchentür geparkt stand, und Kieselsteine aufwirbelnd davonfuhr. Umso besser, dachte Gillian. Rachel war jetzt ganz allein im Haus. Trotzdem zögerte Gillian immer noch. Falls sie zur Vordertür ging und klingelte, würde Rachel ihr womöglich die Tür vor der Nase zuschlagen, bevor sie etwas sagen konnte. Warum machte sie nicht das Gleiche wie Nevil und nahm sich die Freiheit, uneingeladen durch die Orangerie hereinzuspazieren? Nevil hatte es immer so gemacht, bevor Alex gestorben war, in der ein wenig leichtfertigen Annahme, dass er als Freund der Familie befrachtet wurde, und nach Alex’ Tod hatte er es in seiner Eigenschaft als Pfleger der Kanarien weiter getan. Gillian gab ein verächtliches Schnauben von sich. Doch sie hatte einen Entschluss gefasst. Bedächtig setzte sie sich in Richtung des anderen Flügels in Bewegung, wo die Orangerie an die Seite des Hauses angebaut war. Die Sonne funkelte auf dem schrägen Glasdach, und sie bemerkte flüchtig die viktorianische Pracht der Konstruktion. Die zum Garten führende Tür war unverschlossen. Gillian drückte die Türe auf und trat leise ein. Ein Schwall heißer Luft schlug ihr entgegen, zusammen mit dem durchdringenden Geruch von Orangenblüten. Die Kanarien spürten den Luftzug und dass jemand eingetreten war. Sie flatterten aufgeregt durch ihre Voliere, und obwohl Gillian eigentlich gekommen war, um Rachel zu suchen, wurde sie von dem Anblick angezogen und trat näher, um die Vögel zu betrachten. Sie liebte alle Tiere ohne Unterschied, aber sie hatte nur wenig mit Vögeln zu tun. Die Kanarien taten ihr Leid, wie sie in dem beengten Raum ihrer Voliere umherflatterten. Es war reiner Luxus, verglichen mit allen anderen Vogelkäfigen, die sie kannte, trotzdem schien es Gillian irgendwie falsch, dass diese freiesten aller Geschöpfe Gottes durch Menschenhand so in ihrem Bewegungsspielraum eingeengt waren. Vielleicht spürte Gillian mehr Mitleid mit ihnen, weil sie genau wusste, wie es war, in einer Situation gefangen zu sein, die materiell vielleicht nicht unkomfortabel, doch in jeder anderen Hinsicht nur frustrierend war. Auch Gillian wünschte, sie könnte ihre Flügel ausbreiten und einfach davonfliegen, ganz weit weg. Doch sie liebte ihre Eltern, und sie wusste, dass sie ihre Eltern niemals würde verlassen können. Und sie liebte Nevil, obwohl sie wusste, dass sie ihn niemals bekommen würde. Wenigstens das hier konnte sie für ihn tun. Sie konnte ihn aus Rachel Constantines Klauen befreien. Bei diesem Gedanken zog sie eine der entstellten Fotografien von Mrs. James aus der Tasche und betrachtete sie eifrig. Sie hatte nur eins der beiden Bilder mitgebracht. Das andere ruhte in seinem Versteck in Gillians Schlafzimmer. Dieses Bild hier würde die Dinge ein für alle Mal in Ordnung bringen. Gillian erinnerte sich an den Tag, an dem sie den Umschlag aus Manilapapier gefunden hatte. Er hatte ihre Aufmerksamkeit erweckt, wie er aus dem schwelenden Tiermist geragt hatte, den sie regelmäßig verbrannten. Normalerweise war Gillian nicht besonders neugierig, doch irgendeine dunkle Ahnung hatte sie bewogen, das rauchende Stroh zur Seite zu schieben und den Umschlag mit der Schaufel herauszuziehen, bevor das Feuer ihn erfassen konnte. Der Umschlag war an den Rändern ein wenig angesengt gewesen, doch der Inhalt war unbeschädigt geblieben. Hier und jetzt, in diesem Augenblick der Erinnerung, spürte Gillian immer noch den gleichen Schock wie damals, als sie zum ersten Mal gesehen hatte, was sich in diesem Umschlag verbarg. Schock, gefolgt von Aufregung, weil sie zwei Fotografien in den Händen gehalten hatte, die ihr eines Tages vielleicht die Macht geben würden, die Dinge zu ändern. Gillian wollte sich von der Voliere abwenden, doch als sie es tat, bemerkte sie, dass die Wasserschale leer war, die unten am Boden stand. Die kleinen Vögel hüpften trostlos um die Schale herum. Einer war sogar hineingesprungen und saß nun in der Mitte, als erwartete er, dass das Wasser zurückkehrte. Gillians Verantwortungsbewusstsein drängte augenblicklich jeden anderen Gedanken in den Hintergrund. Sie war ein Mensch, der sein ganzes Leben damit verbracht hatte, sich um die Nöte von Tieren zu kümmern. Also stopfte sie das Bild achtlos in ihre

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