Blumenfresser
weg, ihm war bekannt, dass Adam den Arzt bestohlen hatte, er war bei ihm eingebrochen und hatte Geld und einige seltene Mineralien entwendet. Zumindest behaupteten die Leute das. Doch dass er sich auch vor seine Kamera gestellt hatte, hatte Imre nicht gewusst. Man erzählte sich auch, dass der Junge anderer Leute Geheimnisse ausspionierte, sie aber nicht ausplauderte, sondern sammelte, wie der Doktor seine Steine. Und der Alte verteidigte ihn, als wäre er sein Sohn! Er beteuerte immer, wenn Imre wüsste, von welchen Schicksalsschlägen der Junge geprüft werde, hätte er sicher Mitleid mit ihm!
Imre winkte gereizt ab, wer habe Adam denn etwas getan?! Habe man ihn misshandelt, verfolgt, dass er des Schutzes bedürfe?!
Er spürte selbst, wie falsch dieser Ton war. Auch Herr Schütz sah ihn auf eine Weise an, dass er schließlich den Kopf senkte. Der Alte hatte recht. Das Familienlegendarium palaverte von vielerlei Dingen, und auch er wusste, ob er es wollte oder nicht, dass ihr Vater und Richter Pallagi Freunde gewesen waren, bis irgendetwas zwischen ihnen kaputtging, und von da an hassten sie einander bis zum Tod. Nein, es war gar kein richtiger Hass. Pallagis Frau war eine graue Maus gewesen, klein und unscheinbar, nicht einmal ihr Lächeln hatte sie interessant erscheinen lassen. Er konnte sich aus seiner Kindheit an sie erinnern. Doch vom Anlass des Zerwürfnisses erzählten Nero Kosztas Musik, das Geflüster von Blatt und das Nagen von Wurm ebenso wie der Klatsch der Stadt, das Trappeln auf Steinen und Planken oder der Wind, der die Dachrinnen knirschen ließ. Über Menschen wissen Menschen am wenigsten, ein Wissen dieser Art breitet sich dennoch aus wie eine Epidemie. Ja, Adam war sein Bruder, und dieser Bruder hatte ihn im Oktober umbringen wollen.
Der Junge hatte die Waffe gegen ihn erhoben und sein Ziel nur um Haaresbreite verfehlt. Damals hatte Imre die Empfindung gehabt, ein warmes Messer würde ihm über den Hals streichen, die Kugel bohrte sich in die Wand, er hörte deutlich, wie der Verputz zu rieseln begann.
Die Stadt schäumte vor Wut, die Menschen waren seit langem erzürnt, weil der Krieg im Süden die Preise für Weintrauben, Käse und Tabak in astronomische Höhen trieb, Häute, Fleisch und Mehl wurden teurer. Kossuth reiste nach Szeged, stellte sich auf den Balkon eines namhaften Apothekers und stachelte das Volk noch mehr auf. Klara hatte keine Angst, sie genoss die sich verdichtenden Wirren, der Anblick der Leidenschaft, die über die Stadt hinwegbrandete, versetzte sie in Aufregung, sie lag schon so gut wie in den Wehen, ließ jedoch ihren riesigen Bauch immer noch auf dem Fensterbrett ruhen und deutete hierhin und dorthin, ach, der Hemdsärmel von dem Burschen ist blutig, der dort hat auch ein Gewehr, oh, oh, sieh doch, Imre, der mit dem Hut, was für eine gewaltige Keule der schwingt! Sie winkte den Bewaffneten und rief ihnen ein ums andere Mal etwas zu.
Gute Leute, das sind hässliche Sachen, die ihr da macht! Ihr seid schlechte Menschen, geht nach Hause, bessert euch! He, Junge, wann hast du zuletzt Schnee-Eier gegessen?
Der Mob interessierte sich nicht für die Frau, die sich dort im Fenster ereiferte, die entfesselten Menschen waren auf andere Beute aus, sie strichen bereits in Horden durch die Stadt, warfen Steine, Fackeln und Scheiße in die Höfe serbischer Häuser. Und sie mordeten, mordeten! Schüsse, Schreie waren überall zu hören, die Horden waren blutenden Flüchtenden auf den Fersen. Da lag Klara schon in den Wehen, das Fenster stand weit offen, vielleicht hatte er es geöffnet, oder seine Frau hatte es offen gelassen, der leicht bittere Duft von Schießpulver schwebte ins Zimmer, und Klara lachte auch noch nach Jahren, wenn von diesem Tag die Rede war, sie kicherte, es sei ein Spiel gewesen, nur ein Spiel.
Sozusagen ein Schlachtfest?!, er wandte sich gereizt ab, sein zerknittertes Gesicht spiegelte sich im Glas der Kredenz.
Ich spiele dann, wenn ich will!, verkündete Klara.
Er antwortete nicht, es verdarb ihm immer die Laune, wenn seine Frau etwas Dummes sagte. Peter war zur rechten Zeit gekommen, er hatte ihm das Leben gerettet und das Gesindel auseinandergetrieben, mit der Faust hatte er gegen die Mauer geschlagen, das werde der Kerl noch büßen, mit bloßen Händen werde er ihm die Knochen brechen, den Schädel zerquetschen, die Gedärme herausreißen, auf seinem Gesicht werde er herumtrampeln! Das war Peters Art, eifersüchtig zu sein, er kam immer von weit
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