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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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er hereingeklettert?
    Das musste er nicht, sie sah ihm in die Augen, und er, um nicht aufzubrüllen, kippte den Schnaps hinunter. Er schenkte sich von neuem ein. Im nächsten Moment erzitterte das Haus, Peter stürmte in den Salon. Seine Züge waren zerknittert, er gähnte laut und kratzte an seinen Bartstoppeln.
    Verzeih, Bruder, ich bin in der Nacht angekommen!
    Ich weiß, antwortete Imre und schenkte auch Peter ein.
    Ich habe geglaubt, du schläfst noch, lärmte Peter.
    Sicher, ich habe geschlafen.
    Und hast du gut geschlafen?
    Na ja, vielleicht nicht so gut wie du. Bist du allein gekommen?
    Peter überlegte, ich glaube, vor eurem Haus war ich noch allein, doch als ich durchs Tor trat, hat mich jemand begleitet, Peter nickte, ja, so wird es gewesen sein, und sehr leise, damit Klara es nicht hörte, fügte er hinzu, sei mir nicht böse, Bruder, sei mir nicht böse.
    Ich bin dir nicht böse, sagte Imre, er war bereits betrunken. Trotzdem hatte er das Gefühl, nüchtern zu werden. Schnell sammelte er sämtliche Säckchen mit Blumensamen und -zwiebeln ein, die er im Haus finden konnte, ging auf die Straße hinaus und streute alles in den Schnee. Gerade kam Doktor Schütz durch den Schnee gerutscht, vor dem Haus angekommen betrachtete er stumm, mit starrem, verschleiertem Blick die Zerstörung.

Dieses geheimnisvolle Schöne
    Die Hausangestellte räumte die Reste des Frühstücks ab, Imre beäugte die kräftigen Waden, ein wortkarges Mädchen aus der Unteren Stadt, immer rot im Gesicht. Klara griff nach seinem Arm. Er stellte das Glas hin. Seit der Dreikönigsnacht trank er mehr, als er wollte, und ohne betrunken zu werden, doch er wusste sehr gut, dass diese Art von Ruhe Gift war. Es war Ende Januar, der Schnee gefroren und schwarz geworden. Stundenlang stand er mit einem dicken Buch in der Hand da, las aber nur eine einzige Seite, blätterte nie weiter, sondern begann wieder von vorne. Dämmer verströmte im Zimmer, man musste die Augen nicht schließen, damit es dunkel wurde. Klara entzündete eine Lampe, es war ein schöner Moment, selbst ihre Hand schien zu leuchten. Und er las und redete, das ist nicht wahr, keine einzige Zeile ist wahr! Gleich wird der Wind abflauen, sagte er schon ruhiger, und nach einigen Augenblicken hörte das Scheppern des Blechdachs auf. Er lächelte. Ein Schlitten kam aus dem Hof des nahen Gasthauses, der Schnee knirschte, die Peitsche knallte. Es war Abend, und er hatte keine Ahnung, wie es wieder Morgen geworden war, seine Frau hielt seine Hand, sie erzählte von der Wüstenblume und von einem Schiffsbesitzer namens Berger.
    Er schenkte sich nach und schüttete das Getränk in sich hinein.
    Ich liebe dich, flüsterte Klara, sie schien vom Ende der Weltzu ihm zu sprechen, er räusperte sich mit rauer Kehle, ich weiß, Klara, ich weiß.
    Bist du bereit, das Kind aufzuziehen?
    Er lachte, kleine Sägen arbeiteten in seiner Kehle. Auf seiner Schläfe zuckte eine Ader, sein Haar war struppig, die Augen rot geädert, auf dem Kinn glänzten die Stoppeln.
    Wirst du es liebhaben?, sie blinzelte, als wollte sie ihn zu einer Schlitzohrigkeit verführen. Sag, würdest du, wenn du noch einen anderen, einen jüngeren Bruder hättest, auch sein Kind aufziehen?
    Hm, einen jüngeren Bruder?!, sagte er, als würde er nichts verstehen.
    Ja, ein weißer, schwacher Junge, flüsterte Klara.
    Weiß?!
    Wenn Peter schwarz ist, dann ist dein anderer Bruder weiß!
    Er winkte ab, hätte ich einen anderen Bruder, würde ich auch sein Kind aufziehen!
    Aber sagst du das nicht nur so?!
    Wie könnte ich das einfach nur so sagen?!
    Aus Bequemlichkeit, antwortete Klara und sah zur Küche, sie hörte Tellergeklapper. Vor dem Fenster zitterte ein Ast, langsam nieselte Reif herab. Auf dem Ast saß ein weißer Vogel, er betrachtete sie interessiert. Eine Möwe.
    Hast du empfangen?, fragte er.
    Ich glaube schon, antwortete Klara.
    Und wenn mein einer Bruder weiß und der andere schwarz ist, welche Farbe habe dann ich?
    Klara schwieg, Imre stieß ein Lachen aus, er nahm sie bei der Hand und führte sie ins Schlafzimmer, und obwohl es Vormittag war und das Dienstmädchen jederzeit hätte eintreten können, liebte er seine Frau.
    Später grübelte er viel darüber nach, wie die Monate des Jahres Achtundvierzig vergangen waren, vom Ausbruch der Revolution bis zu den Ängsten des Spätherbstes, die nicht nur von den immer brutaler werdenden Kämpfen, sondern auch vonaufflackernden Epidemien und kursierenden Schreckensnachrichten

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