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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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waren vor allem die ruhmreichen Soldaten Allahs. Allerdings haben die Ungarn es genauso gemacht. Und die Serben auch. Wenn man geschickt schneidet, reicht die Haut eines Menschen für ein größeres Laken. Und wenngleich wir in einer zweifellos aufgeklärten Zeit leben, scheint das Häuten immer noch ein beliebtes Verfahren zu sein, Nero Koszta verneigte sich theatralisch, Adam hatte den Eindruck, dass er ihm zuzwinkerte, als er durchs Tor trat und vom Novembernebel verschluckt wurde.
    Von da an wurde Adam nicht mehr herumkommandiert, niemand verlangte mehr etwas von ihm, niemand scheuchteihn umher. Doch forschende Blicke folgten seinen Bewegungen, und wenn er austreten musste, starrte ihm immer jemand nach. Man traute ihm nicht, doch vorerst ließ man ihn in Ruhe. Er lächelte in sich hinein: Man sah ihn nicht nur, sondern wollte ihn auch sehen! Einmal ließ sich Kigl neben ihm nieder, bot ihm Speck und Brot an, auch Wein hatte er aufgetrieben. Irgendeine alte Erinnerung schien ihn zu quälen.
    Das hast du aber gut gespielt, sagte er endlich.
    Gespielt?! Adam war ehrlich überrascht.
    Ich wusste, dass der Herr Regierungskommissär Schauspieler ist. Sogar Shakespeare hat er gespielt. Aber er hätte es als Demütigung auffassen können, dass du so geschauspielert hast.
    Wieso geschauspielert, Kigl, was meinst du?, flüsterte Adam.
    Du hast den Serben gespielt! Wie sie aussehen, wie sie prahlen und reden! Woher kannst du das?!
    Adam erschrak und versank in Grübelei. Er riss neben seinem Stiefel einen Grashalm aus und begann damit herumzuspielen.
    Du, Adam, Kigl blieb hartnäckig, erinnerst du dich an das Wrack, das wir versenkt haben?
    Das war kein Wrack, Kigl. Es war ein wunderschönes Dampfschiff!
    Das hast du damals auch gesagt. Obwohl … Kigl zog ratlos die Nase hoch.
    Lassen wir das, dieses Schiff hat jemand anderem gehört, knurrte Adam. Und ich habe es angezündet, damit der Flammenschein auf mich fällt, damit ich gesehen werde, wie jeder andere auch. Damit man mich sieht, verstehst du, Kigl?!
    Das klingt, als hättest du es im Theater gehört.
    War es schön?
    Es war lächerlich, Kigl grinste, doch damit brachte er Adam nicht in Wut. Nun wurde er neugierig.
    Und … und, sieht man dich jetzt?!
    Ja, sagte Adam, und im nächsten Moment schnitt ihm der Grashalm in den Daumen. In großen Tropfen fiel das Blut zuBoden. Adam sah regungslos dem Tröpfeln zu, als hätte er sich entschlossen, das Leben auf diese Weise aus sich herausfließen zu lassen. Dann bemerkten sie, dass die Tropfen auf der Erde ein Frauengesicht bildeten. Adam stand auf und ging.
    Nicht wahr, man sieht mich, sagte er und ging Richtung Küche, wo dem Ferkel, das man am Vormittag gefangen hatte, gerade das Messer an den Hals gesetzt wurde.

Auch Kigl war schon einmal mit einer Frau zusammen
    Am zweiten Dezember des Jahres 1848 dankte der minderbemittelte Ferdinand ab, sein Nachfolger wurde Franz Joseph. Das Gesicht des jungen Herrschers leuchtete hell wie ein geschälter Apfel, seine Gestalt war mager, er machte einen schwermütigen Eindruck. Man konnte nicht behaupten, dass Franz Joseph ein Kind des Geistes gewesen wäre. Er hielt sich an das spanische Hofzeremoniell, konnte jederzeit hersagen, wie viele seiner Untertanen das Privileg genossen, ihn zu duzen. Morgens stand er um vier auf und machte sich gleich an die Arbeit. Sein Frühstück bestand aus einem Glas Milch, nebenbei las er amtliche Schriftstücke und die Zeitung, obgleich ihn Nachrichten nicht interessierten. Ihn interessierte die von Gesetzen verwaltete Welt, der das Chaos aus Nachrichten und banalen Geschichten nichts anhaben konnte, die klare Ordnung der Schlussfolgerungen und Analysen, das überschaubare Terrain der Vorschläge und der in ihrem Gefolge geschaffenen Paragraphen. Er war Kaiser, wollte aber eigentlich nur der erste Beamte seines Reiches sein. Er kannte jeden Paragraphen, hatte aber nie ein Buch gelesen, weil er Bücherlesen für unnütz hielt. Wer Gesetze breche, betonte er, sei der Gnade unwürdig. Das Gesetz ist die Form, der Mensch der Inhalt. Und was bringt aus seinem Glas verschüttetes Wasser für einen Nutzen?! Auch das Hochwasser verwüstet nur!
    Am sechzehnten Dezember überschritt Fürst Windischgrätz die ungarische Grenze, seine zu beiden Seiten der Donau vorrückenden Truppen wurden zuerst bei Győr zusammengeführt und zogen dann gegen Buda. Auch von Galizien her wurde dem Land eine schmerzliche Wunde geschlagen, dort fiel General Schlick ein.

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