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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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saßen verwundete Nationalgardisten in der Sonne, neben ihnen diskutierten ältere Herren. Als Adam, den Einsatzbefehl in der schweißnassen Hand, zur Burg eilte, versperrte ihm eine Menge den Weg. Eine Hinrichtung war im Gange. Er reckte den Hals, wagte sich näher heran. Junge Männer mit Flaum am Kinn standen vor dem Exekutionskommando. Wie sich bereits herumgesprochen hatte, war nur einer der beiden schuldig, der andere, kleinere, einfurchtsam umherblickender, seinen blonden Schopf schüttelnder Jüngling, hatte nichts Bedeutendes verbrochen. Doch aus erzieherischen Gründen hatte man ihn gleich mit dem anderen mitgenommen, ihm wurde ebenfalls befohlen niederzuknien, auch ihm wurden die Augen verbunden. Der Junge zitterte, sein Gefährte fluchte und spuckte ununterbrochen aus. Adam sah mit starrem Gesicht zu, neben ihm brachen Matrosen in Gelächter aus, sie rochen nach Palinka. Vor ihm versuchte ein junges Fräulein mit Trachtenhäubchen, sich das Kichern zu verkneifen, sie war in Begleitung ihrer Gouvernante, auch ihnen gefiel das Schauspiel. Kommandos bellten, der unschuldige Jüngling begann zu jammern. Unter ersticktem Schluchzen bettelte er um Verzeihung, rief den allmächtigen Gott an, seine betagten Eltern und seine Geschwister. Adam dachte daran, dass er zu den Leuten sprach, sie aber nicht mehr sah, es war dunkel, und er flehte die Dunkelheit an, die ihn nur auslachte. Es war zu spät, der Unglückliche wimmerte vergeblich. Die Schüsse krachten, und beide fielen vornüber. Unter dem Körper des Größeren quoll Blut hervor. Der Kommandierende der Hinrichtung trat zu dem Kleineren, der ebenfalls leblos auf der Erde lag, und stieß ihn mit dem Fuß an.
    Na, du kannst aufstehen, du hast deine Lektion bekommen!, fauchte er ihn an.
    Das wird er sich merken!, schrie jemand aus der Menge.
    Jetzt sind ihm seine Späße vergangen!
    Jetzt wird er sein freches Mundwerk in Zaum halten!
    Der Offizier drehte den Körper des Jungen herum, er starrte ihn einige Augenblicke staunend an, dann beugte er sich über sein Herz. Es wurde still. Der Offizier richtete sich zögernd auf, mit einer Miene, als sei ihm eine unvorhergesehene Unannehmlichkeit widerfahren.
    Er ist tot, sagte er verdrossen und wandte sich seinen Soldaten zu. Doch er kam nicht zu Wort.
    Wir haben nicht auf ihn gezielt, sondern an ihm vorbei, so hat der Befehl gelautet, verteidigte sich einer von ihnen. Der Offizier sah wieder den Toten an und schüttelte den Kopf, als habe man ihn hereingelegt.
    Wie ärgerlich!, hörte Adam die tiefe, dunkle Stimme der Gouvernante, und er sah, wie die sympathisch aussehende Dame ihren Schützling, in dessen Haar die Sonnenstrahlen glänzten, mit sich fortzog.
    Pünktlich am fünfzehnten März traf ein energischer General in der Stadt ein, seinen Namen hatte Adam gleich wieder vergessen. Das Leben in Szeged nahm Fahrt auf, unverzüglich begannen die Vorbereitungen für den Gegenangriff. Nach Ostern wurde die Pontonbrücke über die Theiß installiert. Im Fluss trieben grünende Äste und Blätter, auch das Wasser behängte sich mit Schmuck. Adam wurde zu Zimmerarbeiten eingeteilt, doch weil er langsam und ungeschickt war, sich mehrmals verletzte und sogar seine Kollegen in Gefahr brachte, wurde er bald zu den Köchen versetzt. Er teilte Suppe und Erbseneintopf aus, Bohnen und Mohrrüben, manchmal gebratenen Fisch. Morgens schenkte er Tee aus und servierte Schmalzbrote. Es machte ihm nichts aus, dennoch kamen ihm eines Nachts Fluchtgedanken. Doch wohin sollte er fliehen?! Und warum wäre es besser für ihn, die hier zurückzulassen?! Unwillkürlich berührte seine Hand das Glas, er empfand eine beunruhigende, verzweifelte Liebe. Es war ihm, als habe er den eigenen Tod zum Geschenk erhalten!
    Dieser abscheuliche Herr Schütz!
    Todesvogel, Todesvogel!
    Eines Morgens wurden sie losgeschickt, und wieder marschierten sie nur, wieder streiften sie in bekannten und doch fremden Gegenden herum, quartierten sich irgendwo ein, in einer verlassenen Scheune oder in einem Gutshaus, dann wanderten sie in den Morgendunst hinein. Die lehmigen Straßen waren voller Pfützen, die Sträucher trugen ihr frisches Grün zur Schau, Rauchsäulen wanden sich zum Himmel. Der Frühling bespritzte sie bis zum Hals mit Schlamm. Sie traten zum Appell an und zerstreuten sich wieder. Sie präsentierten das Gewehr,hielten es instand und putzten es, abends tranken sie Palinka und Wein und sangen. Sie weinten. Sie saßen stumm da und rauchten Pfeife.

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