Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
tauchte vor dem Haus ein junges Mädchen auf, die Struwwelmadonna. Sie riss Kräuter aus, strickte Schals, Kopf- und Bahrtücher aus verirrten Windschleiern. Klara hörte oft, dass Somnakaj mit der singenden Struwwelmadonna zankte.
    Struwwelmadonna, Struwwelmadonna, zischte Somnakaj, denn sie konnte die Unglückliche nicht ausstehen. Instinktiv war sie eifersüchtig auf sie, dabei konnte Struwwelmadonna nur singen, und auch das nur falsch und krähend, außerdem war sie hässlich, ihre Kleidung verlottert.
    Scher dich weg von hier, Schlampe!
    Doch Struwwelmadonna sang weiter und machte nicht den Eindruck, als ob sie sich fürchtete.
    Klara wusste, dass Somnakaj hinter der Tür lauschte, wenn sie und Imre flüsternd darüber sprachen, wer alles ins Gefängnis gesperrt worden war. Sie zählten die Namen ferner Regionen, unbekannter Städte auf, erwähnten Kufstein, Theresienstadt, Josephstadt, Wien, von schneebedeckten, schroffen Bergen und dunklen Festungskerkern war die Rede, und Imre sagte lächelnd, dass der Henker einem ungarischen Soldaten, bevor er ihn hinrichte, eine Blume zwischen die Lippen stecke. Dem Zigeunersoldaten eine Tulpe.
    Herrje!, sagte jemand hinter der Tür, und Klara lachte auf.
    Zweimal in der Woche machte Somnakaj sauber, sie wischte Staub, sammelte abgefallene Blätter auf, putzte die Fenster und erlernte so schlecht und recht das Gießen der Pflanzen, das mit großer Sorgfalt zu besorgen war, denn damit verstand Imre Schön keinen Spaß. Oder sie beschäftigte sich mit dem Kind, das bereits anfing zu laufen und unentwegt babbelte. Somnakaj lernte Ungarisch, sie verstand noch nicht alles, prägte sich jedoch Wörter mit so unangenehmem Klang ins Gedächtnis wie Haynau, Freiherr von Kempen, Gendarm, Büttel, Spione, Geheimpolizei, Hinrichtung, Provokation. Der Salon badete im Licht, und sie memorierte Wörter, Illegalität, Kompromiss. Besonders das Wort Provokation gefiel ihr.
    Herzhaft lachend wiederholte sie, Provokation, Provokation!
    An einem kalten Januarnachmittag fand Somnakaj, nachdem sie das Kind zu Bett gebracht hatte, Klara im Salon auf dem Kanapee, wo sie, wie so häufig, während des Lesens eingeschlummert war. Das Mädchen stand so lange da, bis Klara die Augen öffnete und ein wenig zur Seite rückte, Somnakaj solle sich neben sie setzen.
    Willst du es nicht endlich sagen?, fragte Klara. Das war kein Befehl, und Somnakaj verstand, dass sie erzählen sollte, und diese Möglichkeit versetzte sie in Aufregung, sie wollte sie nicht enttäuschen.
    Nur wenn die gnädige Frau mir sagt, wie ich so werden kannwie sie! Ihr Blick wurde frech, höhnisch zog sie die Mundwinkel herab.
    Klara nickte, aber natürlich, Somnakaj, ich sage es dir.
    Wann wird die gnädige Frau es mir sagen?
    Jetzt noch nicht, aber bald.
    Wird mich die gnädige Frau nicht hereinlegen?
    Ich werde es dir auch sagen, wenn du nie so sein können wirst wie ich.
    Das Mädchen war verzweifelt.
    Und wenn ich so sein will wie du?, fragte Klara.
    Das Mädchen machte ein ernstes Gesicht, dann begann sie stockend, und wenn sie ein Wort nicht fand, spielte sie es vor.
    Als wir in diese Gegend kamen, bin ich ihm begegnet. Ich habe gleich gewusst, dass er ein Feenzauberer ist. Seine Haut war so weiß, wie das bei einem Menschen nicht möglich ist. Ich habe die Adern unter seiner Haut gesehen. Ich habe sein klopfendes Herz gesehen! Ich musste ständig sein Gesicht ansehen, um es nicht zu vergessen.
    Woher hast du gewusst, dass er ein Zauberer ist?, fragte Klara.
    Vater hatte Angst vor ihm, er machte vor ihm Verbeugungen wie vor einem turbantragenden Soldaten, sogar seinen Schatten streichelte er. Der Zauberer kam ins Lager und setzte sich zu uns. Er griff ins Feuer, stocherte mit dem Finger in der Glut. Ein Stück nahm er heraus, gab mir auch eines, es verbrannte mich nicht, weil er es mir gegeben hatte. Er sagte, er täte den Zigeunern nichts, obwohl er sie auch in Steine oder in Regen verzaubern könnte. Einen der Männer fragte er, ob er sich in einen Hund verwandeln will. Nicht einmal der arme Masa hat sich in seine Nähe gewagt.
    Masa ist der Stumme, der nach eurer Ankunft gestorben ist?
    Ja, ja, den der Goldene Zigeuner totgebissen hat, der die gnädige Frau gerettet hat!
    Na, und was ist dann passiert, fragte Klara missmutig.
    Dann zeigte der Zauberer seine Wunden. Er hatte zahllose Kratzer, Schnittwunden und Abschürfungen! Wie die Buchstaben in den Büchern von Herrn Schön! Als ob man sie ihm auf die Haut geschrieben

Weitere Kostenlose Bücher