Blumenfresser
oder nicht?
Klara schwieg, sie wusste nicht, was sie sagen sollte, dann begann sie doch zu sprechen, ja, sie habe den Inspektor tatsächlich zu dem genannten Zeitpunkt aufgesucht, doch weil etwas vorgefallen sei, das nicht nur sie, sondern auch den Inspektorin ungünstigem Licht erscheinen lasse, habe sie über die Sache geschwiegen.
Reden Sie, was ist also in dem Zimmer geschehen!
Inspektor Bischof habe um ihre Hand angehalten, flüsterte Klara und senkte den Kopf.
Wie?! Was?!
Und sie habe ja gesagt, Klara hustete, unter der … einen Bedingung, dass Imre Schön nichts geschehe.
In diesem Augenblick stürmte ein anderer Vernehmer in den Raum, der rotgesichtige Ungar, der anscheinend gelauscht hatte, er schnappte nach Luft und stotterte fassungslos, das sei ein Fiebertraum, absurd!, das sei … das sei irgendein Missverständnis, Frau Schön, so etwas könne unmöglich geschehen sein!
Er bat mich, ihm Kinder zu gebären. Fünf, sagte Klara.
Moment mal, Moment!
Und ich … ich, hüstelte Klara, habe es ihm versprochen. Ich habe dem Inspektor mein Wort gegeben, dass ich ihn, wenn ich von Imre Schön geschieden werde, heirate und ihm fünf Kinder gebäre. Fünf.
Das kann nicht sein!, brüllte der Rotgesichtige.
Es hat sich unter vier Augen zugetragen, es gibt keinen Zeugen, sagte Klara leise.
Von einem Tag auf den anderen ließ man sie in Ruhe, sie wurde nicht mehr vorgeladen, vielleicht war nun das Todesurteil gefällt worden. Erst stammelte Doktor Schütz verlegen, schließlich teilte er ihr lachend mit, dass er für ein, zwei Tage verreise. Es war Mai, Klara saß den ganzen Tag in der verdunkelten Wohnung, wiegte das Kind und bemühte sich, nicht zu denken.
Herr Schütz kam einige Wochen später zurück, nur zwölf Jahre, brummte er, sein Binokel putzend, nur zwölf Jahre, kein Todesurteil, nur zwölf Jahre!, und er griff glücklich nach Klaras Hand.
Die Tage und Monate vergingen nicht der Reihe nach, eine Bewegung folgte nicht auf die andere, ein Wort nicht dem vorhergehenden. Wenn ein Gegenstand zu Boden fiel, wenn ihrein Tuch aus der Hand glitt, hob sie es eine Woche später auf. Wenn sie etwas aussprach, eine Bitte oder eine Frage, hörte sie die Antwort nach Monaten. Wenn sie heute zu einem Spaziergang aufbrach, kam sie Wochen später zurück. Zuerst wurde das Kind gesund und erst dann begann seine Stirn zu glühen, dann hustete es wegen der Erkältung. Herr Schütz hastete gerade zur Tür hinaus, als er schon wieder eintrat, Nacht verging zur Nacht, der Tag wollte kein Ende nehmen, die Zeit hatte den natürlichen Verlauf ihres Verstreichens verloren. Aus dem Spiegel grinste ihr eine alte Frau entgegen. Dann streckte ihr ein junges Mädchen die Zunge heraus, eine blaue Schleife im Haar. Manchmal fiel ihr der Tulpenfisch ein, den der Zigeuner Masa aus ihrem Leib gezogen hatte.
Zsófia, die Wüstenblume, hatte wieder geschrieben, ihre Aufmerksamkeit und Anteilnahme war nachdrücklicher, doch nicht aufdringlich geworden, die Sätze des Briefes waren abwechselnd mit blauer und roter Tinte geschrieben. Zsófia fragte nach Klaras Meinung über eine Formulierung Imres bei dem tragischen Vortrag, die so lautete:
»Das gibt es, dass man sich einfach eine Blume vorstellt. Ihre Farbe, ihre Gestalt und ihren Duft. Dann findet man eines Tages, dort, auf der Erde, wo diese Blume in ihrer Pracht stehen und duften müsste, tote Bienen!«
Auch später antwortete Klara nicht auf die Frage, und sie erinnerte sich nicht, dass Imre so etwas gesagt hätte. Sie ließ den Brief auf den Tisch fallen, ein Luftzug fegte ihn zu Boden. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf, ihr war das Schiff eingefallen. Plötzlich durchfuhr es sie, dass sie, seit das Schiff verbrannt war, überhaupt keine Reise mehr unternommen hatte, sie hatte die Stadt gar nicht mehr verlassen. Jetzt war es Mai, Ende Mai. Am nächsten Tag nahm sie das Kind bei der Hand und spazierte die Budaer Straße entlang, hinaus aus der Stadt.
Wohin gehen wir?, fragte das Kind.
Ein lauer Wind fächelte, an der Straße krümmten sich Robinien mit schwarzen Stämmen, sie hätte sich gefreut, wärenWurzelmama und ihre Gefährten aufgetaucht, hätte Blatt sie getröstet, selbst der Spott von Wurm hätte gutgetan, doch sie hatten sich schon lange nicht mehr gemeldet. Klara hatte keine Idee, wo sie sein mochten.
Es tut weh, sagte das Kind, es wollte sich hinsetzen.
Klara hob es hoch und drückte es an sich, so setzten sie ihren Weg fort.
Wohin gehen wir?, fragte
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