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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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seine Leibgarde, schloss die Reihen und bewegte sich auf einen Eindringling zu. Es war eine alte Pharaonenhündin, die um das Geknurre der muskulösen Rüden nichts gab. Der Unterschied zwischen Schein und Sein war ihr nur zu gut bekannt.
    »Schon lange keine Hündin mehr gesehen, was? Das schlägt euch Rüden immer gleich aufs Hirn.«
    Amadeus sprang auf, lief ihr entgegen und leckte ihr demütig die Lefzen. Sein Schwanz schlug schnell, ob der Freude, sie wiederzusehen. »Endlich holt ihr mich zurück!«
    »Mein guter Amadeus ...« Doch Nara kam nicht dazu, die nächsten Worte auszusprechen.
    »Vater hat eingesehen, dass das Schicksal mit mir den Besten für die Suche ausgewählt hat, nicht? Das Verschwinden des Tuches war nicht zu verhindern, für niemanden. Doch nun erfülle ich meine neue Pflicht.«
    »Amadeus!«
    Die Leibwächter wussten nicht, was zu tun war. Die alte Hündin hatte gegenüber ihrem Herrn die Stimme erhoben, doch das schien diesem nicht zu stören. Die Situation überforderte sie völlig, einer der Hunde begann sich im Kreis zu drehen.
    »Auf eure Posten«, herrschte Amadeus sie an. »Nara ist eine von uns.«
    »Was soll nur dieser Unsinn?«, fragte seine Großmutter, nachdem die Verwandten fort waren. »All diese fremden Straßenhunde.«
    »Wir finden das Sindone und retten Turin! Ist das nicht wunderbar?«
    »Ich muss dir etwas sagen, und es fällt mir schrecklich schwer.«
    »Hast du mich nicht gehört? Es kommt alles wieder in Ordnung!«
    Sie trat näher, sagte es leise. »Amadeus, wir verlassen Turin.«
    »Und Vater wird stolz vor die Ahnen ... Was ?«
    »Es gibt keinen Grund mehr zu bleiben.«
    »Bald werde ich das Sindone finden und an seinen Platz bringen!«
    »Wir reisen zurück nach Israel. Schon sehr bald. Vielleicht wird dein Vater dort sein Heil finden. So hofft es zumindest deine Mutter. Sie klammert sich mit aller Kraft daran, die ihr noch geblieben ist.«
    »Sag ihnen, sie sollen nicht übereilt abreisen! Es kann nur noch wenige Tage dauern, dann ist das Sindone wieder an Ort und Stelle. Alles wird wie vorher sein.«
    »Nein, kleiner Amadeus«, sagte Nara, ihre Augen schwer und traurig. »Nichts wird jemals wieder so sein wie vorher. Deinem Vater ist die Seele zerbrochen, und es gibt nichts, das sie heilen könnte.«
    »Aber das Sindone! «
    »Es tut mir so leid, dass du nicht mit uns kommen darfst und hier in der Fremde bleiben musst. Es bricht mir das Herz, Amadeus.« Sie leckte ihm über den zitternden Kopf. »Du bist ein guter Hund. Aber das Schicksal war gegen dich. Es schert sich nicht um die Güte eines Wesens. Es schert sich um überhaupt nichts.« Sie legte sich neben ihm auf einen der alten groben Pflastersteine. »Komm, mein Kleiner. Schmieg dich ein letztes Mal an mich. Wie du es als Welpe immer getan hast.«
    Amadeus sank zu ihr auf den Boden, und sie gab ihm von ihrer Wärme ab. Und so verging die Zeit. Doch irgendwann, als sie dachte, ihr Enkel schliefe, stand die alte Pharaonenhündin wieder auf und ging.
    »Warte, Nara! «, rief Amadeus, der kein Auge zugetan hatte.
    Sie wandte sich noch einmal widerwillig um, doch schaffte sie es nicht, ihrem Enkel ins Antlitz zu blicken. »Ich weiß, was du fragen möchtest. Und mit jedem Recht. Doch die Antwort ist nein. Du darfst dich nicht von den Deinen verabschieden.«
    »Ich ... «, Amadeus straffte seinen Körper. »Ich wollte doch nur wissen, wann ihr Turin verlasst.«
    »In wenigen Nächten, wenn der Boden weiter aufgetaut ist. Wir werden einfach verschwinden, Amadeus. Diese Stadt wird uns viel schneller vergessen als wir sie. Leb wohl! Ich werde immer an dich denken.«
    Den Kampf um das Sindone müsste er also alleine führen. Gott hatte seine Prüfung weiter erschwert, doch er würde nicht versagen! Ihm blieb jetzt nur wenig Zeit, aber er würdedie unüberlegte Flucht seiner Familie verhindern. Er beorderte zwei seiner Leibwächter, die Insel der Pharaonenhunde zu überwachen. Er wollte von jedem Schritt wissen, den seine Meute machte.
    Und verhindern, dass sie Turin verließen. Mit Klauen und Zähnen.
    In Amadeus’ Kopf bewegten sich so viele Gedanken, dass auch seine Beine sich in Bewegung setzten. Er musste mit jemandem reden und wusste niemanden außer dem alten Ugo. Weder an seinem Schlafplatz auf dem Corso Galileo Ferraris noch vor dem Duomo fand er ihn. Die Nacht wurde kalt, der schmutzige Matsch erstarrte, die Schneedecke legte sich einen Eispanzer zu.
    Lange nach Mitternacht entdeckte er erst Ugo im trüben

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