Blut & Barolo
trüffelige Form seiner Nase, sie waren unverwechselbar, genau wie auf dem Fahndungsfoto.
Erst als die Meute Giacomo einkreiste, sie die Köpfe senkten und ihr Knurren ohrenbetäubender als startende Flugzeuge dröhnte, begriff der alte Trüffelhund, dass ein sonniger Tag kein Garant für eine schöne Zeit war.
Das Feuer kaute träge am feuchten Holz, und lautes Prasseln erfüllte den kleinen Raum, dessen Teppichmuster vor lauter Hundehaaren nicht mehr zu erkennen waren. Es roch angenehm nach Harz und Tee, die Wärme war wohlig.
»Schön, dass deine Augen jetzt wieder offen sind«, sagte Rory und blickte milde auf Canini herab. Der große Scottish Deerhound saß vor der Spanielhündin auf einem riesigen Gobelinkissen.
»Wo ist das Wasser?«
»Wo es hingehört. Im Meer. Und das ist ein gutes Stück weg. Brauchst also keine Angst mehr zu haben. Du hast viel mit den Beinen gerudert, während du schliefst. Bei mir war es genauso.«
»Wie meinst du das?« Erst jetzt bemerkte Canini, dass sie unter einer flauschigen Decke lag.
»Mich hat er auch im Meer landen lassen.«
Nun schwankte der Boden unter Canini wieder, obwohl die Grundmauern des kleinen Ferienhäuschens fest auf dem steinigen Boden der Riviera standen.
»Er hat versucht, mich zu retten, er hat mich nicht ... !« Oder doch? Für einen Moment, nur für einen ganz kurzen, hatte sie gedacht, Mario hätte das kleine Ruderbootselbst zum Kentern gebracht. Doch wer würde sich in eine solche Gefahr bringen? Und warum?
»Ich sehe doch, dass du es gemerkt hast.« Rory legte seinen riesigen Körper vor der Spanielhündin ab – es sah aus, als würde sich eine Zugbrücke herabsenken. »Er hat immer eine Schwimmweste unter der Kleidung. Außerdem kentert er stets in einer Bucht ganz nah am Ufer. Keine Gefahr für ihn. Einer von uns ist allerdings mal dabei ersoffen. Das war natürlich ein Versehen. Er hat danach extra die Rettungsschwimmer-Ausbildung gemacht und sich auch tierärztlich so weit informiert, dass er uns zukünftig am Leben halten kann. Mario ist ein sehr kluger Mann.«
Ein Scheit fiel im gemauerten Kamin um, Funken stoben auf, flogen umher und verglühten. Selbst sie bereiteten Canini nun Angst.
»Wird er es noch mal ... ?«
»Nein, die Sache mit dem Boot nur einmal. Aber er denkt sich immer mal wieder was Neues aus.«
»Aber ... «
»... warum? Weil er einsam ist, sehr sogar, in seinem Herzen. Er wünscht sich nichts sehnlicher als eine perfekte Verbindung zu einem Hund. Als kleiner Junge besaß er einen Dalmatiner, da lebte er noch in Genua. Nach einem Autounfall, bei dem der Hund angefahren wurde, pflegte er ihn, Tag und Nacht. Kinder können unglaublich grausam sein, doch sie können auch viel Liebe geben. Mario vermochte es, und so entstand zwischen ihnen eine perfekte Verbindung. Doch nach vier Tagen starb der Dalmatiner, die Verletzungen in seinem Bauch waren einfach zu schwer gewesen. Mario hat ihn nie vergessen – und vermisst ihn immer noch. Er glaubt, dass nur wenige Hunde zu solch einer Verbindung fähig sind. Einen davon will er unbedingt finden. In der Ecke steht übrigens Futter, gutes frisches Fleisch und Wasser. Soll ich es dir herüberschieben?«
Canini hob den Kopf und sah die Näpfe, sie sah auch die vielen Bilder, welche ausschließlich Hunde zeigten, und ein großes Regal so prall gefüllt mit Büchern, dass sich die Balken unter dem Gewicht bogen. Die lederne Sofagarnitur war alt, Krallenspuren hatten sie abgewetzt. Nur das Feuer des Kamins erhellte das kleine Zimmer. Die Fensterläden waren zugeklappt. Sie hätte sich hier sehr wohl gefühlt – mit Isabella und Niccolò. Und natürlich mit Giacomo. Er konnte so wunderbar Gemütlichkeit ausstrahlen.
Etwas an Rorys Geschichte irritierte sie plötzlich. »Aber ... «
»... wieso er dich dann in Lebensgefahr bringt? Weil er denkt, dass nur ein solch einschneidendes Erlebnis zusammenschweißt. Er hat lange darüber nachgedacht, Bücher gewälzt, mit vielen Menschen gesprochen. Du bist nicht die Erste, mit der er es versucht. Aber man kann es einfach nicht erzwingen. Die anderen kannst du hier im Dorf treffen. Neun hat er schon durch. Er verschenkt uns, wenn es nicht klappt, legt uns ab wie alte Pullover. Jetzt friss aber mal was!« Rory ging hinüber zum Napf, nahm dessen Rand ins Maul und trug ihn zu Canini. »Damit du wieder zu Kräften kommst.«
Es schmeckte ausgezeichnet, bestes Fleisch, kein Gemüse. Das Futter tat der Spanielhündin sehr gut, ihr Körper
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