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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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kleine Windspiel. »Ist eh alles egal. Machen wir uns nichts mehr vor. Canini ist tot und Isabella verloren. Gib ihnen das verfluchte Tuch und lass uns zurück nach Rimella gehen.«
    »Recht hast du, Kleiner!«, sagte Giacomo schlingernd. Seine Augen schwammen in den Höhlen wie dicke Fische.
    »Soll er das Ding doch haben. Warum stelle ich mich nur so an? Dummer alter Giacomo ! «
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Niccolò. Schwankte sein Freund oder bildete er sich das nur ein?
    »Ging mir nie besser. Doll, diese Stadt! Will mich nur endlich mal in Ruhe umsehen. Hier gibt es Schokolade, Kleiner, das glaubst du nicht. Die machen Sachen mit Haselnüssen, da vergisst du deinen Namen, dein Geschlecht und sogar dass du ein Hund und keine Leberwurst bist.«
    Während er redete, trottete Giacomo zu dem Bauwagen, in dem das aufgerollte Sindone lag. Die windschiefe Tür quietschte in ihren Angeln, als Giacomo dagegenstieß. Immer noch überspannten Spinnweben wie ergraute Girlanden den kleinen Tisch mit den zwei Stühlen, die vierflügeligen Metallschränke und die Werkzeugbank in der Ecke. Es stank nach kaltem Rauch, und das einzige Fenster war grau wie eine Schiefertafel. Doch nicht alles war wie zuvor. Auf dem staubigen Boden fanden sich einige Pfotenabdrücke sowie eine Schleifspur.
    »Ist weg«, kommentierte Giacomo die Entdeckung. »Geklaut.«
    Der Pharaonenhund sprang wütend in den Bauwagen, auf den Tisch, ja sogar auf die Schränke, und als er nichts fand, schließlich auf Giacomo – der die ganze Aufregung überhaupt nicht verstand und keinerlei Gegenwehr leistete.
    »Er sagt die Wahrheit«, rief Ugo von draußen. »Ein Betrunkener, weißt du, der, so sagt man, und das stimmt, spricht immer wahr. Im Guten wie im Schlechten.« Hoch- erhobenen Schwanzes machte der Mischling einen Satz hinein. »Und er ist, nun ja, sehr betrunken.«
    »Wer hat es gestohlen?«, verlangte Amadeus zu wissen.
    »Dein Gott?«, lallte Giacomo. »Dem ich übrigens ausnehmend gern dienen möchte. Will schließlich in den Himmel – aber unbedingt in den piemontesischen Teil!«
    Ugo drängte sich vor Amadeus, um Schlimmeres zu verhindern. »Kannst du, mit deiner Nase, das Sindone, na ja, erschnuppern?«
    Giaocomo hob seine gewaltige Nase, torkelte dann die Metallstufen hinaus, drehte sich in den Wind, legte sich genussvoll auf den Bauch – und schlief ein.
    »Das heißt: Nein«, übersetzte Niccolò.
    Amadeus sah ihn sich nun erstmals genauer an, beschnüffelte sein Fell, als sei es kostbarer Wein. »Du bist ein Piccolo Levriero Italiano! Ich kenne eure Geschichte. Nara erzählte sie immer.« Er stockte, senkte sein Haupt. »Deine Rasse stammt von den kleinwüchsigen Hunden am Hofe unseres Pharaos ab. Kleopatra machte Julius Cäsar einige von euch zum Geschenk, so kamt ihr einst nach Rom.«
    Niccolò hatte keine Ahnung, wovon dieser merkwürdige Hund sprach. »Kann sein. Ist mir auch egal.«
    »Ihr seid eine edle Rasse, und eure Wurzeln liegen nahe den unseren. Ich will dir kein Leid zufügen müssen. Weck deinen Freund bitte auf.«
    »Er ist dann sehr schlecht gelaunt.«
    »Weck ihn auf!«
    »Nein. Mach ich nicht. Freunde tun so was nicht.«
    »Lasst, also, einfach mich«, sagte Ugo, hob seine Pfote und drückte auf einen nicht zu erkennenden Punkt an Giacomos Rücken. Nur ganz leicht. Der Lagotto machte einen Satz und stand auf allen vieren. Augenscheinlich hellwach. Und unglaublich überrascht – aber nicht sauer.
    »Katzentrick«, sagte Ugo.
    Könnten Hunde applaudieren, sie hätten es getan. Giacomo setzte mit seinen Worten genau an dem Punkt ein, wo ihn zuvor der Schlaf übermannt hatte.
    »Im Moment? Nein, da kann ich das Sindone nicht wahrnehmen. Aber es gibt zwei Möglichkeiten, wie sich mein Geruchssinn steigern lässt.« Giacomo machte eine Pause,augenscheinlich belustigt über das Interesse. Mittlerweile standen alle im Kreis um ihn herum, selbst die zur Abschreckung eingeteilten Bullterrier. »Zum einen: Hungern. Das dauert aber sehr, sehr lange. Ich habe mir vor dem Winter nämlich einige Reserven zugelegt. Zum anderen ... « Wieder eine Pause, noch länger als die zuvor. »... Barolo. Ganz, ganz viel davon. Dadurch öffnet sich die Welt wie eine Blüte für mich.«
    Niccolò versuchte, in die Augen des Freundes zu blicken. Wenn der alte Trunkenbold log, dann machte er seine Sache verdammt gut.
    »Betrunkene sagen also die Wahrheit?«, fragte der Pharaonenhund den mittlerweile auf dem Bauzaun balancierenden Ugo. Der

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