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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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mein Frauchen ist so glücklich, mich wiederzusehen, dass es sicher ein Festmahl wird.«
    »Was ist aus?«
    »Na alles. Das schöne Märchen, der Conte Rosso. Ich muss mich jetzt ausruhen. Lass mich in Frieden.« Er versank in der Tasche, die daraufhin noch weiter ausbeulte.
    Niccolò zwickte hinein. Es schmeckte widerlich. Wahrscheinlich war das Leder gerade erst mit Politur gepflegt worden. Er spuckte auf den Boden, doch es nützte nichts, Niccolò musste sein Maul im Schnee ausreiben. Danach rannte er schnell zurück zur unbeirrt weiterdampfenden Frau.
    »Nächstes Mal beiße ich richtig«, log Niccolò.
    »Lässt du mich endlich in Ruhe, wenn ich dir deine blöden Fragen beantworte?«, kam es aus der Tasche.
    »Ja, mach ich. Spuck’s aus!«
    »Na gut.« Der Conte holte tief Luft. »Jeder glaubt, ich hätte unzählige mir treu ergebene Hunde, die als meine Augen und Ohren fungieren. Aber es gibt keine. Alles, was ich weiß, erzählen mir diejenigen, die ihre Gaben bringen. Ab und an habe ich bei ihnen Geschichten über meine Untaten gestreut, über Bestrafungen, Diebstähle, Verfolgungen. Alles frei erfunden. Es gibt nur Maria Grazia und mich.«
    » Was?! «
    »Du hast mich schon verstanden.«
    »Das kann doch nicht sein! Alles ist bloß eine Lüge?« »Na ja, nicht ganz. Wem man Macht einräumt, der hat sie. So einfach ist das. Und jetzt hau endlich ab.«
    »Ist Maria Grazia noch im Borgo? Bei Giacomo?«
    »Bei den Hunden von diesem Amadeus. Sie ist ein starkes Mädchen, wird sich schon durchschlagen. Außerdem haben sie es ja sowieso auf deinen Giacomo abgesehen – und der ist ihnen direkt vor die Brust gelaufen.« Der Kopf des Pekinesen erschien wieder, die Schleife war so verrutscht, dass sie ihm einen verwegenen Zug verlieh. »Kannst ruhig allen erzählen, was ich dir gesagt habe. Keiner wird’s glauben – denn niemand will so dumm sein, dass ihn ein Pekinese jahrelang an der Nase herumgeführt hat. Wenn Gras über die Sache gewachsen ist, werde ich zurückkehren. Mir wird bestimmt was Dramatisches über mein Verschwinden einfallen. Das wird eine ganz grandiose Geschichte!«
    Die Frau bog ab, die Ledertasche an ihrer Schulter schaukelnd. So verließ der mächtige Conte Rosso den Parco del Valentino. Niccolò dagegen ging ins Borgo. Er hatte keine Lust mehr auf Verfolgungen, auf Versteckspiel. Er war es leid. Aber zu Giacomo wollte er, denn alle anderen Säulen seines Lebens hatten sich aufgelöst, als wären sie bloß aus Sand.
    Das kleine Windspiel wurde erwartet, die Späher des Pharaonenhundes hatten ihn bereits angekündigt. Einer davon, ein stattlicher Gordon Setter, trat knurrend auf Niccolò zu, als dieser durch den dunklen Torgang trat. Neben dem großen eleganten Hund mit seinem glatten kohlschwarzen Fell und den kastanienroten Beinen kam sich Niccolò gleich noch eine Spur mickriger vor.
    An der gegenüberliegenden Seite der kleinen Piazza hatten sich zwei Pitbulls aufgebaut, um Touristen zu verscheuchen.Dieser Platz gehörte nun den Hunden. Einige lagen gelangweilt auf den Pflastersteinen oder tranken aus dem Brunnen, doch die meisten standen um zwei Gestalten in der Mitte. Die größere davon ein schlanker, hochgewachsener Pharaonenhund, ein wunderschönes Tier, an dessen Flanken jedoch mehrere Prellungen zu sehen waren und dessen Fell geronnenes Blut rot gefärbt hatte. Er hatte sich stolz vor einem Lagotto aufgebaut, der aussah, als sei er einem heruntergekommenen Straßenzirkus entsprungen. Eigentlich fehlte ihm nur noch die Clownsnase. Trotzdem erkannte Niccolò den alten Freund sofort wieder. Giacomos Kopf bewegte sich leicht hin und her, und sein Gesichtsausdruck verriet, dass er ausgesprochen glücklich war.
    Der Pharaonenhund dagegen nicht.
    »Jetzt verrat uns endlich, wo das Tuch ist! Der Herr hat es nicht ohne Grund im Duomo aufbewahrt. Alles löst sich auf, seit es fort ist. Das uralte Band zwischen Mensch und Hund wurde zerschnitten. Nur das Sindone kann die Wunden wieder heilen!« Er blickte sich um, als der Gordon Setter kurz und devot aufbellte. »Hier kommt der Zweite der gottlosen Diebe«, sagte Amadeus zu den Seinen. »Seht ihn euch gut an.«
    »Mein Name ist Niccolò. Und ich bin kein Dieb – außer von Würsten. Aber wer ist das nicht? Lasst mich bitte durch zu Giacomo. Ich gehöre zu ihm, egal, was er getan hat.«
    Der Pharaonenhund beachtete seine Worte überhaupt nicht. »Sprich endlich, Trüffelhund!«, blaffte er stattdessen Giacomo an.
    »Erzähl’s ihm«, sagte das

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