Blut der Sternengötter
der Kräfte, die wir uns gefügig machen, können ihrerseits einen Tei, sollte er sich im Bereich ihres Einflusses befinden, in einen Kraftüberträger verwandeln. Und je größer die ursprüngliche Kraft ist, desto stärker konzentriert sie sich auf den Tei. Um das Tornetz zu durchqueren …« Sie schüttelte den Kopf. »Du mußt jetzt Wunden am Körper haben, so tief wie von einem Schwerthieb. Sie müssen behandelt werden, bevor sie sich entzünden.«
»So wie du Vorken behandelt hast?«
Lady Asgar schüttelte den Kopf. »Nein. Diese Kraft würde deine Wunden nur vertiefen und deinen Schmerz vergrößern. Was du brauchst, ist die Heilkunst von Gorth, nicht das Heilwissen der Sterne. Aber auch von dieser Art zu heilen verstehe ich viel. Willst du dich mir anvertrauen?«
Kincar konnte ihr Wissen akzeptieren – sie hatte ihm gute Beweise dafür geliefert. Aber was war mit Lord Dillan? Vielleicht vermochte Lady Asgar seine Gedanken zu lesen, denn jetzt lächelte sie und sagte: »Wußtest du nicht, daß auch Lord Dillan ein Heiler ist? Aber seine Heilkunst befaßt sich mit kranken Seelen. Er hat den Inneren Pfad gewählt, da er ein Schüler des Waldes ist und seit vielen Jahren die Sieben Feste und die Sechs Fasten hinter sich hat.«
»Ich war ein Schüler von Gormal s’Varn«, fügte Lord Dillan hinzu. »Obgleich das nun schon viele Jahre her ist …«
Gormal s’Varn! Jener Führer auf dem Wahren Pfad, der so unendlich viele Jahre vor Murds Großmutter gelebt hatte! Wieder überfiel Kincar das bedrückende Gefühl von Vergangenheit, die diesen Burgmauern anhaftete und auch die Sternenlords umgab. Aber dann ordnete er diesen beiden seinen Willen unter, denn ihr großes Wissen flößte ihm Vertrauen ein.
Lord Dillan half ihm mit den Schnallen seines Schuppenhemdes, während die Lady aus ihrer Tasche kleine Salbentöpfchen holte, von denen sie zwei öffnete.
Lord Dillan half ihm auch aus dem Wams und dem weichen Hemd darunter. Der Tei schwang an der Kette um seinen Hals, aber dort, wo er auf seiner Haut gelegen hatte, war eine tiefe, feuerrote Brandwunde, als ob er mit einem glühend heißen Metall gefoltert worden wäre.
Lady Asgar nahm ein Blattskelett, das einem Spinnengewebe gleich auf ihrer Handfläche lag, und bestrich es mit unendlicher Sorgfalt mit den Salben aus ihren Töpfchen. Vorken kletterte von der Mauer herab und hockte sich zu ihren Füßen nieder. Der Kopf der Murd wiegte sich auf ihrem langen Hals hin und her, und sie schien den Duft einzuatmen, der von den Töpfchen aufstieg. Dann und wann gab sie ein bittendes Zirpen von sich.
Lady Asgar lachte. »Für dich gibt es nichts davon, Vorken.« Dann legte sie das Blattskelett mit den heilenden Salben auf Kincars Brust, und es haftete dort wie eine zweite Haut. Weder Lord Dillan, noch die Lady berührten jedoch den Tei. Aber Lady Asgar betrachtete ihn aufmerksam. »Der Tei stammt aus dem Gorth, das wir kennen«, sagte sie dann nachdenklich. »Ich frage mich, ob er auch in diesem Gorth Macht hat …«
Kincar hatte seinen Schwertgurt aufgenommen. Das Blattpflaster hatte nicht nur das Brennen gekühlt, sondern er fühlte sich kräftiger und lebendiger als zuvor, seit er die Netztore durchschritten hatte. Jetzt blickte er verwundert auf. »Dieses Gorth?« fragte er.
Lord Dillan nickte. »Ja, dies ist Gorth, aber nicht das Gorth, in dem du geboren wurdest, Kincar, noch ist es das Gorth, das wir uns ausgesucht hätten, wäre eine andere Wahl uns möglich gewesen. Es ist ein Gorth, das uns fremd ist, in dem wir allein und ohne Freunde sind.«
»Du meinst, Lord, daß wir durch euren Zauber über die bitteren Wassermeere auf die andere Seite der Welt gelangt sind?«
Lady Asgar setzte sich auf eines der Reitpolster, und sogleich kletterte die Murd auf ihren Schoß. Die Lady gestattete Vorken, an ihren duftenden Händen zu schnuppern, und von Zeit zu Zeit strich sie über den grotesken Kopf des Tieres.
»Ay, wir sind woandershin gelangt, Kincar, aber nicht über die Meere. Erkläre du es ihm, Dülan, denn er ist so spät zu uns gestoßen, daß er nichts von dem weiß, was wir getan haben, und wir alle müssen dem, was auf uns zukommt, mit Verständnis entgegensehen.«
»Es ist so«, begann Lord Dillan, »als die Zeit kam, daß wir Gorth verlassen mussten …«
Und jetzt fand Kincar den Mut, eine Frage zu stellen, die ihn schon lange beschäftigte. »Aber warum, Lord, war es für euch notwendig, Gorth zu verlassen? Ay, Männer bösen Willens haben
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