Blut der Sternengötter
Lanze. Auf Cim hätte Kincar sich einen Weg freikämpfen können. Sein Larng war kampferprobt und stark genug, diesen schäbigen Reittieren zu entkommen – aber nicht einen Augenblick kam Kincar der Gedanke, die anderen beiden im Stich zu lassen.
Murren jedoch sah sofort die Möglichkeit zur Rettung und bewies damit, daß er ein erfahrener Krieger war. Er sprang auf Cims Rücken, bückte sich und versetzte dem Jungen einen mächtigen Fausthieb gegen das Kinn. Der junge Körper erschlaffte. Murren zog seinen bewußtlosen Herrn auf den Larng und über seine Knie. Dann trieb er Cim landeinwärts, seinen Haken schwingend, als er die Reihen der Reiter durchbrach. Und die Heftigkeit seines Angriffs verwirrte den Feind gerade lange genug, um ihm den Durchbruch zu ermöglichen. Einige der Berittenen folgten ihm, aber vier oder fünf blieben und wandten sich Kincar zu, der sie, mit dem Rücken an der Hüttenwand, erwartete.
Konnte er sie bluffen, indem er behauptete, daß Murren und der Junge seine Gefangenen gewesen und entflohen waren? Aber die Tatsachen waren nur allzu deutlich. Murren und der Junge waren bewaffnet gewesen.
Lanzen gegen ein Schwert – ein ungleicher Kampf. Er hielt seinen Mantel bereit, um die erste Lanzenspitze abzufangen. Die Angreifer standen zwischen ihm und der See – also keine Hoffnung, aus der Falle herauszuschwimmen –, und hinter ihm befand sich ein langer, offener Strandstreifen, bevor man die nächsten Ruinen der alten Stadt erreichte. Jedoch – Kapitulation ohne Kampf war undenkbar.
Das aber war es, was sie wollten. Der nächststehende Krieger rief ihm zu: »Lege dein Schwert nieder, Fremder! Der Friede der Götter sei zwischen uns …«
Nicht der Friede der Drei – sondern der Friede der »Götter.« Der falschen Götter. Und ein Friede, den sie anboten, bedeutete nichts. Kincar gab keine Antwort.
»Reitet ihn nieder!« grollte einer der anderen.
»Nein!« widersprach ein anderer. »Lord Rud muß mit jedem sprechen, der in der Gesellschaft von … diesen beiden gefunden wurde …« Der Mann hatte sich unterbrochen, als fürchte er, eine Indiskretion zu begehen. »Nehmt ihn gefangen, wenn ihr nicht wollt, daß der Lord mit euch ein Wörtchen redet!«
Sie kamen von drei Seiten. Kincar wehrte eine der Lanzen mit seinem Schwert ab. Dann stieg vor ihm ein Larng auf die Hinterfüße, um ihn mit den Vorderklauen niederzureißen. Kincar sprang zur Seite und fiel hin. Sofort waren sie über ihm, preßten sein Gesicht in den Sand, rissen seine Arme auf den Rücken und fesselten seine Handgelenke. Dann warfen sie ihn, mit dem Gesicht nach unten, über den Widerrist eines schwitzenden Larngs.
Es war ein kalter Ritt durch die Nacht, denn Kincar hatte keinen Mantel mehr, und am Ende der Reise war er halb bewußtlos.
Dumpfer Schmerz durchbrach den Nebel, der sein Hirn umgab, als ein Stiefel ihm in die Rippen stieß, um ihn auf den Rücken zu drehen. Grelles Licht blendete ihn.
»Wer ist er?«
»… trägt das Zeichen …«
»Wessen Mann?«
Bruchstücke von Fragen, die nichts bedeuteten. Dann kam ein Befehl: »Legt ihn in die Zellen, und erstattet dann Meldung. Wenn er mit dem Jungen zusammen war, muß Lord Rud es erfahren.«
Sie versuchten gar nicht erst, ihn aufzurichten, sondern griffen ihm unter die Arme und schleiften ihn über Steinpflaster und eine Treppe hinunter. Übler Gestank und tiefe Dunkelheit umgaben ihn, als er irgendwo in eine Ecke geworfen wurde. Eine Tür schlug zu, und die Finsternis war vollkommen.
Kincar richtete sich auf. Er fühlte sich zerschlagen, immer noch benommen von dem Ritt und steif vor Kälte. Aber er hatte keine echte Verletzung, und er war wieder soweit bei sich, um einigermaßen vernünftig denken zu können.
Sie hatten Lord Rud erwähnt, und so nahm er an, daß er sich jetzt in irgendeiner Festung von U-Sippar befand. Und er war unter den schlechtmöglichsten Umständen in die Hauptstadt gelangt – gefangengenommen, während er zusammen war mit Flüchtlingen, die vom Herrscher dieses Gebiets gejagt wurden. Sie hatten sein Brandmal gesehen, aber nicht bemerkt, daß es gefälscht war. Er hatte also immer noch eine geringe Chance, sich als Gefolgsmann eines entfernt lebenden Lords auszugeben. Es war eine sehr magere Hoffnung, aber etwas anderes blieb ihm gar nicht übrig, und Kincar überprüfte seine Geschichte noch einmal auf ihre schwachen Punkte hin.
Als sie diese Geschichte in der Festung des Tals zusammengebraut hatten, waren sie davon
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