Blut der Sternengötter
ausgegangen, daß er keinem der Dunklen jemals persönlich gegenübertreten würde. Seine allgemeinen Anweisungen lauteten, in U-Sippar einzureisen als ungebundener Mann, der Arbeit suchte, aber genügend Beute in seinen Taschen hatte, um eine Weile leben zu können, ohne einen Dienst anzunehmen. Er sollte sich der Festung fernhalten – und jetzt war er sogar mittendrin!
Angenommen, dieser Lord Rud verstand sich ebenso darauf, die Menschen zu beeinflussen und zum Sprechen zu bringen, wie Lord Dillan? Oder – zum erstenmal kam ihm ein schrecklicher Gedanke. Wenn es in diesem Gorth einen Lord Rud gab, konnte es dann nicht ebensogut auch einen Lord Dillan geben? Wie, wenn er plötzlich einem zweiten Lord Dillan gegenüberstünde?
Wie lange er dort in diesem dunklen Kellerloch zubrachte, wußte Kincar nicht. Irgendwann wurde die Tür aufgestoßen, und von der Treppe her blendete ihn Licht. Gestalten erschienen, packten ihn an Schultern und Ellbogen, schoben ihn die Treppe hinauf in einen von Steinmauern eingefaßten Gang. Dann kamen weitere Treppen, und schließlich sah er das Licht des hellen Tages, als sie in einen Hof gelangten.
Die Männer, die ihn geholt hatten, waren Wächter gewöhnlicher Art mit flachen, brutalen Gesichtern und gleichgültigen Augen. Ihr Anführer war ein riesiger Kerl, den Kincar fast für einen Sternenlord hielt, bis er die gorthianischen Züge und das Teufelsmal zwischen seinen Augen sah. Er grinste und zeigte dabei seine Zahnlücken, beugte sich über Kincar, und riß seinen Kopf am Haar schmerzhaft in die Höhe.
»Tatsächlich, das Zeichen«, bemerkte der Riese. »Aber du wirst feststellen, daß dich das hier nicht retten wird, Jüngling.«
»Spießen wir ihn auf, Sood?« fragte einer der Wächter.
Der Riese ließ Kincar los und schlug dem Fragesteller mit der offenen Hand ins Gesicht – so heftig, daß der Mann fast das Gleichgewicht verlor und gegen Kincar taumelte.
»Halt den Mund, Dreckskerl! Er wird aufgespießt, wenn ich es sage, und nicht eher! Aber er wird darum betteln, bevor wir mit den Eisen zu ihm kommen, das sage ich dir! Und jetzt geht er erst in die Halle, und du wirst ihn hinbringen!«
Der Mann, der geschlagen worden war, spuckte Blut, aber er protestierte nicht und erlaubte sich nicht einmal einen wütenden Blick auf den Rücken des voranmarschierenden Riesen.
Kincar wurde über den Hof gestoßen und unter einem weiteren Torbogen hindurch in eine andere Welt. Hier waren die Wände nicht mehr aus Stein, sondern glatt und glänzend wie eine Schwertklinge. Und über die blaßgraue Oberfläche tanzten unaufhörlich Regenbogenfarben, die sich zu sich ständig verändernden, geisterhaften Bildern und Szenen zusammenzufügen schienen.
Durch einen Vorhang von schimmerndem Stoff, der sich selbsttätig vor ihnen öffnete, gelangten sie in eine weite Halle. Sonne flutete durch das Dach herein, gefiltert durch kunstvoll gemustertes Glas, das Regenbogenfarben auf den Boden warf.
Auf einer breiten Couch ruhte der Herr der Festung, und hier wirkte sogar der Riese Sood klein. Sein lautes Gebaren und seine prahlerische Art schrumpften in sich zusammen, und er war nur noch der Diener, der seinem mächtigen Herrn Aufwartung machte.
Bisher hatte Kincar die Sternenlords nur in ihrem silbernen Kampfanzug gesehen. Dieser Mann trug eine Robe aus irgendeinem leichten Gewebe, unter dem jede Bewegung seiner Muskeln deutlich sichtbar war. Er war ebenso massig wie Lord Dillan, aber die klaren, kräftigen Linien von Dillans Körper waren hier verschwommen wie bei einer mißglückten Kopie eines Meisterstücks. Lippen und Kinn waren zu weich und schwammig. Sein Haar war das Fremdartigste an ihm – ein stumpfes, dunkles Rot, dicht und glatt.
»Ah, Sood …« Seine Stimme war voll, beinahe weich, aber Kincar hatte das Gefühl, eine Eiseskälte wehe ihm entgegen. Hier war etwas, was ihm noch nie zuvor begegnet war. Vor Lord Dillan hatte er Ehrfurcht empfunden und in noch größerem Maß vor Lady Asgar. Für Lord Bardon hatte er die Bewunderung eines Kriegers gegenüber einem erfahrenen Anführer gefühlt. Keiner von jenen hatte ihm dieses niederschmetternde Gefühl vermittelt, weniger zu sein in ihren Augen als ein Larng. Kincar mußte sich sehr beherrschen, dem Dunklen Lord gegenüber seine Abneigung und seinen Trotz zu verbergen.
»Was haben wir denn da, Sood …?«
»Den, der im Versteck jener gefangen wurde, Lord.«
»Der, der ihnen zur Flucht verhalf, ay. Bring diesen Helden her zu
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