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Blut der Wölfin

Blut der Wölfin

Titel: Blut der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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zu uns ins Hotel zu nehmen. Es war unverkennbar das, was Hull selbst sich wünschte – der arme Mann war überzeugt, dass ihm Jack the Ripper und mörderische Zombies auf den Fersen waren. Wir machten uns mehr Sorgen darüber, dass Anita Barrington versuchen könnte, ihn in einem Handel an Shanahan auszuliefern, aber es war auf jeden Fall besser, wenn wir ihn im Auge behielten.
    Einige von uns hätten gern die Vorfälle des Abends besprochen, bevor wir schlafen gingen, aber Jeremy weigerte sich und schützte Müdigkeit vor, und Antonio schloss sich ihm an – als hofften sie, ein paar Gähner würden uns davon überzeugen, dass wir ebenfalls müde waren. Ich war es mit Sicherheit nicht. Das ist das Problem, wenn man bis in den frühen Nachmittag schläft – zwölf Stunden später platzte ich immer noch vor Tatendrang.
    Nachdem wir also unsere Koffer in eine Ecke des Hotelzimmers geworfen hatten, erledigte Nick einen Anruf, und Clay und ich gingen hinaus in den Gang in der Hoffnung auf Ablenkung. Vielleicht würden Jeremy und Antonio ja wieder auftauchen, wenn sie sicher sein konnten, dass Hull sich zurückgezogen hatte.
    Nichts dergleichen. Wir gingen drei Mal laut miteinander redend an ihrer Tür vorbei, aber es kam niemand heraus. Dann entdeckte Clay am Ende des Gangs einen Gemeinschaftsbalkon. Das Schild an der Tür teilte uns mit, dass er nach elf Uhr abgeschlossen war. Aber als Clay die Klinke nach unten drückte, ging die Tür auf … wobei ich sicher bin, sein kräftiger Ruck tat das Seine dazu.
    Der Balkon hatte etwa die Größe eines Hotelzimmers, und von der Backsteinbrüstung sah man auf die Straßenlandschaft hinaus. Es gab zwei Liegestühle; einer stand fast verborgen im Schatten der Mauer, der andere ganz am anderen Ende des Balkons, als seien sie zuletzt von zwei Fremden genutzt worden, die vorhatten, Fremde zu bleiben.
    Clay streckte sich auf dem Liegestuhl im Schatten aus. Ich ging zur Brüstung hinüber und sah auf die Stadt hinunter.
    »Meinst du, wir waren’s?«, fragte ich.
    »Waren was?«
    »Diejenigen, die ihn befreit haben. Heute, mit Jaimes Séance.«
    »Und keiner von uns hätte gesehen, wie er aus dem Portal gekommen ist?«
    Ich nickte. »Stimmt.«
    »Und das Timing stimmt auch nicht. Sogar wenn er rausgesprungen wäre, sobald Jaime mit ihrer Séance angefangen hat – er hätte es nie im Leben geschafft, sich mit seinen Zombies zu treffen, ein Mädchen aufzutreiben und sie umzubringen, bevor wir fertig waren. Deine Freundin hat gesagt, als sie die Nachricht gekriegt hat, lag der Notruf schon fast eine Stunde zurück. Da waren wir noch gar nicht in Cabbagetown.«
    Die Balkontür hinter mir öffnete sich. Ich drehte mich um in der Erwartung, Nick zu sehen, aber stattdessen zögerte eine schlanke Gestalt in der Tür. Hull. Ich nickte ihm zu, sprach aber keine Einladung aus. Er kam trotzdem zu mir heraus – an Clay vorbei, den er im Schatten gar nicht sah – und trat neben mir an die Brüstung.
    »Schöne Nacht«, sagte er, während er über die Stadt hinaussah.
    Ich nickte.
    »Es ist alles sehr …« Er sah sich um. »Anders. Es ist kaum vorstellbar, wie viel sich in hundert Jahren ändern kann.« Er zeigte mit einer Handbewegung auf die Seitenwand des Hotels. »Nicht eben ein gewöhnliches Gasthaus.«
    Ein scharfer Stich des schlechten Gewissens ging durch mich hindurch. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre ich von Hulls Situation fasziniert gewesen, aber hier brachte ich es nicht fertig, mehr als einen Anflug von Mitgefühl zu empfinden.
    Ich gebe zu, ich bin nicht gerade ein Vorbild, was Einfühlungsvermögen angeht, aber in der Regel bringe ich es fertig, mich in die Lage eines anderen zu versetzen, mir seine Situation vorzustellen und entsprechend zu reagieren. Aber bei Hull empfand ich nichts. Nicht einmal Neugier. Vielleicht hatte ich wirklich schon eine Menge andere Sorgen, aber ich sollte es wenigstens versuchen.
    »Das alles muss …«, begann ich und schüttelte dann den Kopf. »Ich kann mir nicht mal vorstellen, wie es sein könnte. Hatten Sie eine Familie? Frau, Kinder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Meine Arbeit hat den größten Teil meiner Zeit in Anspruch genommen, fürchte ich.«
    Ich ließ mir ein paar weitere Fragen einfallen, aber seine Antworten waren einsilbig, und keine davon bot mir einen Aufhänger für eine etwas lebhaftere Unterhaltung.
    Ich sah zu Clay hinüber, aber der sah aus, als sei er eingeschlafen. Von dort war keine Hilfe zu erwarten. Hull

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