Blut der Wölfin
Luft, vielleicht nimmst du irgendwas, damit sich dein Magen beruhigt.«
»Ich bin in Ordnung. Gib mir einfach einen Moment Zeit, damit ich mich … dran gewöhnen kann.«
Ich sah mich in dem Raum um. Draußen herrschte sonniger Mittag, aber durch das Fenster über uns kam nur ein schwacher Lichtschein herein, der einen knappen Meter tanzender Staubkörnchen erleuchtete. Als meine Nase sich allmählich an den Geruch gewöhnt hatte, konnten auch meine Augen wieder etwas sehen, und ich stellte fest, dass wir in einem Gang standen, leer bis auf einige ordentlich aufgestapelte Kisten. Der Gang wirkte aufgeräumt, geradezu sauber. Der Geruch schien von einer geschlossenen Tür am anderen Ende her zu kommen, der Treppe gegenüber, die ins Erdgeschoss hinaufführte.
»Kein Licht, nehme ich an«, sagte ich.
Zoe schüttelte den Kopf. »Manchmal bringe ich eine Taschenlampe mit, aber … so ist es besser.«
»Sie … Tee mag kein Licht?«
»Hm, es ist nicht so sehr ihretwegen.« Zoe glitt von der Kiste herunter, auf der sie gesessen hatte, und machte sich auf den Weg den Gang entlang.
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Labyrinth
Z oe führte uns die Treppe hinauf bis zu einem Treppenabsatz. Links war die Hintertür, die in der Tat von innen vermauert worden war.
Wir folgten Zoe zu einer Innentür, an die sie rasch in einem bestimmten Rhythmus klopfte. Während ich noch auf eine Antwort von drinnen wartete, schob Zoe die Tür eben weit genug auf, um sich seitlich hindurchzwängen zu können. Ich packte die Klinke, um dagegenzudrücken, aber die Tür rührte sich nicht.
»Äh, ich komme da nie im Leben …«, begann ich.
»Moment.« Ein Grunzen, als bewegte sie etwas Schweres. Noch ein Grunzen, dann öffnete sich die Tür.
Ich trat ein und sah, dass sie damit beschäftigt war, einen Bücherstapel wieder aufzubauen.
»Ich hoffe, das stimmt so«, murmelte sie. »Tee hasst es, wenn sie durcheinandergeraten. Ist es hier drin besser mit dem Geruch?«
Der fürchterliche Gestank des Kellers wurde hier von einer anderen Art von Verfall überlagert. Modriges Papier. Als ich mich ins Innere schob, rammte ich mit dem Bauch einen weiteren Bücherstapel.
»Moment«, flüsterte Zoe. »Lass deinen Augen Zeit zum Umstellen. Das ist ein Irrgarten hier drin.«
Clays Atem blies mir ins Genick, aber ich wartete und zwinkerte ein paarmal, um mich an das trübere Licht zu gewöhnen. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, auch hier von innen, hinter den Jalousien. Für Passanten auf der Straße musste es so aussehen, als seien einfach die Vorhänge geschlossen.
Als meine Nachtsicht da war, fand ich mich in einem Labyrinth aus Büchern wieder; manche Stöße reichten mir über den Kopf. Ein schmaler Durchgang schlängelte sich in den Raum hinein. Zoe war bereits verschwunden.
»Folgt einfach dem Pfad«, rief sie zu uns zurück. »Führt nur in eine Richtung, es ist nicht schwer.«
Ich bin mir sicher, es war nicht schwer für Leute, die sich drehen konnten, ohne zusätzlichen Raum zum Ausschwenken zu brauchen. Nachdem ich mit dem Bauch den nächsten Stapel gerammt hatte, legte ich beide Hände darüber. Meine Fingerknöchel waren zerschrammt, als ich Zoe einholte.
»Bleib dicht hinter mir«, sagte sie. »Wir sind gleich da.«
»Gut«, grunzte Clay hinter mir.
Noch ein paar Schritte, und der Irrgarten öffnete sich auf einen weiteren mit Büchern gefüllten Raum. Ich stolperte. Clay packte mich am Arm, und als ich nach unten sah, stellte ich fest, dass der Boden mit einem Teppich aus offenen Büchern bedeckt war.
»Schieb sie einfach im Gehen zur Seite«, flüsterte Zoe.
Ein leises Geräusch von weiter links erregte meine Aufmerksamkeit. Dort sah ich etwas, das aussah wie ein gigantisches weißes Nest. Im Näherkommen sah ich, dass es ein Haufen von Seiten war, die aus Büchern herausgerissen worden waren. Er war mindestens einen Meter hoch und doppelt so lang. Irgendwo ganz unten quiekte und wühlte eine glückliche Maus.
Ich spähte zu dem Stoß abgerissener Bücherrücken neben dem Haufen hinüber. Es war alles dabei, von Kochbüchern über Unterhaltungsromane und historische Texte bis zu Autohandbüchern.
»Die Antwort steckt darin«, flüsterte eine Stimme irgendwo hinter mir.
Ich fuhr herum, sah aber nur Bücher und Dunkelheit.
»Sie ist da«, sagte die Stimme, so rauh und kratzig wie Sandpapier auf Metall. »Ich habe sie noch nicht gefunden, aber sie ist da. Ich weiß es.«
Ich starrte auf den Papierhaufen hinunter, aber die Stimme sagte:
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