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Blut der Wölfin

Blut der Wölfin

Titel: Blut der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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erste Sommer seit vier Jahren war, in dem Savannah nicht für eine Woche zu Besuch kommen würde. Wir hatten es geplant, aber dann hatten meine Alpträume eingesetzt, und ich hatte Angst bekommen, sie zu verschrecken. Derlei war das Letzte, was ein Mädchen im Teenageralter mitbekommen sollte – am Ende bekam sie noch Angst davor, eines Tages selbst Kinder zu haben. Savannah war sehr verständnisvoll gewesen, und wir hatten versprochen, es in den Weihnachtsferien wiedergutzumachen, aber ich wusste, dass sie enttäuscht gewesen war. Wodurch ich ein noch schlechteres Gewissen bekommen hatte – jetzt hatte ich noch jemandem den Sommer ruiniert.
    »Jaime«, sagte Clay.
    »Jaime einladen? Ich bin sicher, sie hat zu viel zu tun, um …«
    »Was war mit dieser Dokumentation, über die ihr da geredet habt? Es ist nicht die Sorte Journalismus, die du üblicherweise betreibst, aber du hast dich interessiert angehört, als sie davon angefangen hat.«
    Ich zögerte und nickte dann. »Sicher. Arbeit. Das wäre gut. Etwas Neues ist vielleicht genau das, was ich brauche.«
    Ich holte das Adressbuch aus der Schublade, öffnete es und wählte. Auch diesmal bekam ich nur einen Anrufbeantworter dran. Ich hinterließ eine Nachricht – ein unspezifisches »melde dich mal, wenn es dir gerade passt«. Ich nahm an, dass es Tage dauern würde, bis ich von ihr hörte – Jaime verbrachte den größten Teil des Jahres damit, von einer Show zur anderen zu reisen, ein paar Tage hier, eine Woche da. Der Himmel mochte wissen, wann sie die Nachricht abhören würde.
    »Vielleicht ist sie auch bloß kurz aus der Wohnung gegangen«, sagte Clay.
    »Sicher. Vielleicht.«
    »Sollen wir’s mal bei Nick probieren?«
    Ich schüttelte den Kopf, murmelte etwas wie »später vielleicht« und schlüpfte aus dem Zimmer.

[home]
Strategien
    D as Telefon klingelte früh am nächsten Morgen.
    »Ich gehe dran!«, sagte ich.
    Ich schoss so schnell von meinem Stuhl hoch, dass ich vorübergehend meinen verlagerten Schwerpunkt vergaß und fast mit dem Gesicht nach unten auf dem Fußboden gelandet wäre.
    »Wartest du auf irgendwas?«, rief Clay hinter mir her, als ich mich wieder fing und in Richtung Arbeitszimmer rannte.
    »Arbeit«, antwortete ich. »Ein … einen Auftrag.«
    Als ob ich mich jemals so beeilt hätte, um einen Auftrag zu bekommen. Die traurige Wahrheit war, dass ich keinen Anruf erwartete – ich wollte einfach Kontakt mit der Außenwelt. Irgendeinen Kontakt. Mittlerweile hätte es auch ein Staubsaugervertreter getan.
    Erst letzte Woche, als die hartnäckige Avondame uns einen Katalog in den Briefkasten geworfen hatte – etwas, das sie seit vier Jahren tat, ohne jemals eine Bestellung von mir bekommen zu haben –, hatte ich einen Moment lang gedacht: »Hey, vielleicht sollte ich sie mal anrufen, eine Make-up-Beratung ausmachen.« Es kam nicht drauf an, dass ich seit den neunziger Jahren kein Make-up mehr gekauft hatte. Selbst die Erinnerung an Jeremys Bericht über das letzte Mal, als eine Avondame in Stonehaven aufgetaucht war, hatte mich nicht abgehalten. Schließlich war Clay damals erst sieben oder acht gewesen, und selbst wenn er die Avondame auch dieses Mal terrorisieren sollte – so übel mein Gewissen deshalb auch sein würde, es würde mit Sicherheit etwas Leben in den Nachmittag bringen.
    Das Telefon klingelte zum vierten Mal. Ich stürzte mich auf den Anrufbeantworter, drückte auf den Ausknopf und warf einen Blick auf die Nummer auf dem Display. Ein öffentliches Telefon. Telefonzelle? Vielleicht Jaime, die zurückrief, oder Paige, die sich melden wollte.
    »Hallo?«
    »Elena!«, dröhnte eine Stimme.
    »Xavier!«
    Schweigen. Ein bisschen zu viel Enthusiasmus meinerseits, nehme ich an. Wahrscheinlich versuchte er jetzt herauszufinden, ob das eine freudige Begrüßung oder ein warnendes Fauchen gewesen war.
    »Schön, von dir zu hören«, fügte ich hinzu.
    Schweigen. Dann: »Was hab ich diesmal getan?«
    »Nichts. Es ist einfach bloß … nett, von dir zu hören.«
    Clay erschien in der Tür. Ich formte mit den Lippen »Xavier«. Er runzelte die Stirn. Ich drehte mich zur Wand.
    »Was gibt es also?«, fragte ich. »Hast du was Neues von diesem Brief gehört? Oder gibt es irgendwas anderes, das wir erledigen sollen? Wir schulden dir noch was für den Hargrave-Tipp, denk dran.«
    Er zögerte – er musste überzeugt sein, dass hinter meinem Enthusiasmus irgendeine Falle verborgen war. »Äh, nein, nichts anderes. Es ist der

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