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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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fand es auch ein wenig sonderbar. Aber die Leute tun eben merkwürdige Dinge, sogar öfter, als man denkt.«
    »Vielleicht wollte sie ja, dass Luft drankommt«, ruft Marino. »Manche machen das.«
    »Sie war mit einem Arzt verheiratet, der sicher wusste, dass eine Infektion die Komplikation ist, die bei offenen Wunden am häufigsten auftritt«, widerspreche ich. »Eigentlich wäre sogar eine Tetanusspritze fällig gewesen, wenn sie sich an einem Gartengerät verletzt hat.«
    »Es gibt einfach keine andere logische Erklärung für das Blut im Wintergarten und im Garten«, meint Colin. »Es ist eindeutig ihres. Also muss sie sich eine blutende Wunde zugezogen haben, und zwar nicht, als sie, aller Wahrscheinlichkeit nach im Schlaf, erstochen worden ist. Sie und ihr Mann hatten beide ein Beruhigungsmittel genommen. Clonazepam, in anderen Worten Rivotril, das gegen Angst- und Panikzustände und als Muskelentspanner wirkt. Manche benutzen es auch als Schlafmittel «, erklärt er Marino. »Wir hoffen, dass die Jordans gar nicht wussten, was geschah.«
    »War es damals Ihre Theorie, dass der Mann zuerst getötet wurde?«, erkundige ich mich.
    »Die Reihenfolge ist nicht mehr nachvollziehbar, doch es wäre logisch, dass die Täterin den Mann zuerst erledigt hat, dann die Frau und zu guter Letzt die Kinder.«
    »Und sie ist nicht aufgewacht, als ihr Mann direkt neben ihr erstochen wurde? Das muss ja eine hohe Dosis Clonazepam gewesen sein«, merke ich an.
    »Wahrscheinlich ist alles unglaublich schnell gegangen. Ein Blitzangriff«, entgegnet er.
    »Was ist mit ihren Schuhen? Wenn sie auf dem Rückweg ins Haus geblutet hat, muss Blut auf die Schuhe getropft sein, die sie im Garten trug. Hat jemand daran gedacht, sich nach blutigen Schuhen umzuschauen.«
    »Du bist eine Schuhfetischistin«, sagt Marino, an meinen Hinterkopf gewandt.
    »Da sie, als sie ermordet wurde, nur ein Nachthemd trug und barfuß war, hat sich niemand für Schuhe interessiert«, antwortet Colin.
    »Sie hat also irgendwann während des Tages den Boden im Wintergarten und im Flur mit Blut vollgetropft«, stelle ich fest, als wir an dem Gewächshaus mit den eingewickelten Büschen und Bäumen in Blumenkübeln davor vorbeifahren. »Und das blieb dann einfach über Nacht so, ohne dass jemand aufgewischt hätte?«
    »Die Fliesen waren dunkelrot. Der Boden im Flur bestand aus dunklem Hartholz. Möglicherweise hat sie es nicht gesehen oder schlichtweg vergessen«, erwidert er. »Ich bin absolut sicher, dass es ihre DNA ist. Es war ihr Blut«, beteuert er. »Sicher werden Sie mir zustimmen, dass sie kaum in den frühen Morgenstunden unten und im Garten Blut verloren haben kann, wenn die Morde oben stattfanden. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie es nie aus dem Bett geschafft hat.«
    »Zugegeben, es erscheint unmöglich, dass sie im Wintergarten und im Garten geblutet und sich dann wieder ins Bett gelegt hat, um sich mehrfach erstechen zu lassen, während sich eine Mörderin im Haus herumtrieb und ihre gesamte Familie niedermetzelte «, entgegne ich. Dabei denke ich an die Gefahren, die es mit sich bringt, wenn man Ermittlungen einstellt, bevor sie richtig angefangen haben, weil alle Beteiligten den Täter für überführt halten.
    Als Lola Daggette dabei ertappte wurde, wie sie in ihrer Dusche im Übergangswohnheim blutige Kleidungsstücke wusch, lag die Schlussfolgerung auf der Hand. Was machte es schon, wenn sie falsch war? Blut auf dem Boden im Wintergarten, eine Schnittwunde an Gloria Jordans Daumen, eine nicht eingeschaltete Alarmanlage und unbekannte Fingerabdrücke, all das spielte plötzlich keine Rolle mehr. Lola hat allen haarsträubende Lügen und erfundene Alibis aufgetischt – und schon war der Fall aufgeklärt. Die Mörderin wurde vor Gericht gestellt und verurteilt und sitzt nun im Todestrakt. Wer die Antworten bereits zu kennen glaubt, stellt keine Fragen mehr.

20
    Wir holen Tatortkoffer und Schutzkleidung vom Rücksitz des Land Rover und folgen dem betonierten, von blühenden Büschen und Blumenbeeten gesäumten Fußweg. Die leuchtenden Farben verblassen im gleißenden Sonnenschein. Officer Macon und die Direktorin erwarten uns im Backsteingebäude mit den weißen Säulen an der Kontrollschleuse.
    »Ein trauriger Anlass«, begrüßt uns Tara Grimm, deren Verhalten heute ihrem Namen alle Ehre macht.
    Ihre Miene ist bitterernst, und der Blick, mit dem sie mich bedenkt, ist eindeutig. Außerdem hat sie die Lippen fest zusammengepresst.

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