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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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sofern ein Mitarbeiter des Gefängnisses die Schuld an Kathleen Lawlers Tod trägt. In Gegenwart von Officer Macon oder Tara Grimm wird er nicht äußern, dass er hauptsächlich deshalb hier ist, um Kathleens Zelle zu sichern, damit niemand – auch nicht die beiden – Gelegenheit hat, potenzielle Beweismittel zu manipulieren. Natürlich war es bei seinem Eintreffen eigentlich schon zu spät, das zu verhindern. Wir können nicht mit Gewissheit sagen, wie lange Kathleen schon tot in ihrer Zelle lag, als das GBI und Colins Büro benachrichtigt wurden.
    »Ich habe die Leiche nicht angefasst«, teilt Chang Colin mit. »Sie lag so da, als ich um dreizehn Uhr ankam. Angeblich war sie da seit einer Stunde tot. Allerdings ist die Zeitabfolge der Ereignisse, wie sie mir geschildert wurde, ein wenig schwammig.«
    Kathleen Lawler liegt auf einer mit einer zerknitterten grauen Decke und einem vergilbten Laken bedeckten schmalen Stahlpritsche, die wie ein Regal unter dem mit Maschendraht gesicherten Fenster befestigt ist. Ihr Körper ist halb zur Seite gedreht, ihre Augen sind einen Spaltbreit geöffnet, ihr Mund steht offen, und ihre Beine hängen über die Kante der schmalen Matratze. Die Hosenbeine ihrer weißen Gefängniskleidung sind über die Knie hochgeschoben, und das weiße T-Shirt ballt sich um ihre Brüste, vielleicht als Ergebnis von gescheiterten Wiederbelebungsmaßnahmen. Möglicherweise hat sie auch im Todeskampf wild um sich geschlagen und sich in einem verzweifelten Versuch, eine bequeme Lage zu finden und ihre Symptome zu lindern, herumgewälzt.
    »Fanden Wiederbelebungsmaßnahmen statt?«, frage ich Tara Grimm.
    »Natürlich haben wir uns alle erdenkliche Mühe gegeben. Aber sie war bereits tot. Was auch immer passiert sein mag, jedenfalls ging es sehr schnell.«
    Während Marino, Colin und ich weiße Overalls anziehen, bemerke ich eine Gefangene in der Zelle gegenüber, die uns durch die Glasscheibe anstarrt. Sie hat ein Großmuttergesicht, einen eingefallenen Mund und krauses graues Haar, das ihren Kopf umgibt wie ein Helm. Sie erwidert meinen Blick und fängt an zu sprechen. Ihre laute Stimme dringt gedämpft durch die verschlossene Stahltür.
    »Schnell? Da lachen ja die Hühner!«, verkündet sie. »Ich habe eine gottverdammte halbe Stunde gerufen, bis jemand kam! Eine gottverdammte halbe Stunde! Sie war am Ersticken, das habe ich deutlich gehört. Ich krieg keine Luft mehr, ich krieg keine Luft mehr , hat sie gekeucht. Dann ist sie still geworden und hat nicht mehr geantwortet. Da habe ich aus Leibeskräften um Hilfe gerufen …«
    Drei schnelle Schritte bringen Tara Grimm zur Zellentür. Sie klopft mit den Fingerknöcheln an die Scheibe. »Geben Sie Ruhe, Ellenora.« Ihr Tonfall weckt in mir den Verdacht, dass Ellenora sich zum ersten Mal äußert. Tara Grimm wirkt aufrichtig erschrocken und zornig. »Stören Sie die Leute nicht bei der Arbeit. Dann lassen wir Sie raus, damit Sie ihnen genau erzählen können, was Sie gesehen haben«, meint sie zu der Gefangenen.
    »Es war mindestens eine halbe Stunde! Warum hat das so lange gedauert? Wahrscheinlich hat man einfach Pech, wenn man hier drin im Sterben liegt. Ganz gleich, ob es nun brennt, eine Überschwemmung gibt oder ob ich an einem Hühnerknochen ersticke. Pech eben«, erklärt sie mir.
    »Sie müssen sich beruhigen, Ellenora. Wir kümmern uns später um Sie. Dann können Sie uns alles schildern, was Sie gesehen haben.«
    »Gesehen? Gesehen habe ich gar nichts. Ich konnte nämlich nichts sehen. Das habe ich euch allen doch schon gesagt.«
    »Richtig«, entgegnet Tara Grimm kühl und herablassend. »Ihre ursprüngliche Aussage lautete, dass Sie nichts gesehen haben. Wollen Sie die jetzt ändern?«
    »Weil ich nichts sehen konnte! Schließlich hat sie nicht dagestanden und aus dem Fenster geschaut. Das war ja das Schreckliche daran. Ich habe sie nur stöhnen, keuchen und um Hilfe betteln gehört. Sie hat diese grausigen Geräusche gemacht wie ein Tier, das Schmerzen hat. Hier drin kann man verrecken, ohne dass es jemanden interessiert. Schließlich haben wir keinen Notrufknopf, den wir drücken könnten! Sie haben sie in ihrer Zelle sterben lassen«, wendet sie sich an mich. »Sie haben sie einfach sterben lassen!« Sie sieht mich aus großen Augen an.
    »Wenn Sie nicht aufhören, stecken wir Sie in eine Hochsicherheitszelle «, droht Tara Grimm. Ich merke ihr ihre Ratlosigkeit an.
    Offenbar hat sie nicht mit so einer Szene gerechnet, und mir schießt

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