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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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vorbeikommen, wo unsichtbares Sicherheitspersonal die Türen im Inneren des Gebäudes beobachtet, öffnet und schließt. Anstatt nach links zu den Besucherräumen, wo ich gestern war, gehen wir nach rechts, vorbei an einer menschenleeren Edelstahlküche und einem Wäscheraum mit professionellen Waschmaschinen.
    Durch eine weitere schwere Tür erreichen wir ein Atrium, wo Hocker und Tische am Betonboden festgeschraubt sind. Eine Etage höher befindet sich ein Laufsteg, und dahinter erkenne ich die Hochsicherheitszellen mit ihren grünen Metalltüren. Aus jeder der kleinen Fensterscheiben späht ein Gesicht. Die Insassinnen beobachten uns eindringlich, und dann fangen sie wie aufs Stichwort an, gegen die Türen zu treten. Das Stoßen ihrer Füße ans Metall erzeugt einen ohrenbetäubenden Radau, so als würden sämtliche Tore zur Hölle zugeknallt.
    Tara Grimm steht kerzengerade da und schaut nach oben. Ihr Blick gleitet den Laufsteg entlang und bleibt an einer Zellentür direkt über dem Eingang hängen. Das Gesicht dahinter ist blass und aus meiner Perspektive eine Etage tiefer kaum zu erkennen. Doch ich kann langes braunes Haar, weit aufgerissene Augen und einen zusammengepressten Mund ausmachen, als eine Hand hinter der Scheibe erscheint und der Direktorin den Stinkefinger zeigt.
    »Lola«, stellt Tara fest und hält Lola Daggettes Blick stand, während das entsetzliche Getöse, das Hämmern und das Krachen andauern. »Die ach so sanfte, harmlose und unschuldige Lola«, höhnt sie. »Jetzt haben Sie sie einmal kennengelernt. Lola, das Opfer eines Justizirrtums, das nach Ansicht einiger Leute wieder auf freien Fuß gehört.«
    Als wir unseren Weg fortsetzen, kommen wir an einer Tür mit Gitterglas und einem Karren mit Bibliotheksbüchern vorbei, der neben einem unvollendeten Puzzle, einer Ansicht von Las Vegas, steht. Die Puzzleteilchen liegen zu kleinen Haufen sortiert auf der Tischplatte aus Metall. Officer Macon öffnet mit seinem klirrenden Schlüsselbund die nächste Tür. Sobald wir sie hinter uns haben, hört das Treten auf, und es kehrt Totenstille ein. Vor uns befinden sich jeweils sechs Türen auf jeder Seite, die vom restlichen Gebäude abgetrennt sind. An einigen der schimmernden Stahlriegel hängen leere weiße Müllbeutel aus Plastik. Aus den Fenstern schauen Gesichter aller Altersgruppen. Die angespannte Stimmung lässt mich an ein sprungbereites Tier denken, das jeden Moment losschlagen oder vor Angst die Flucht ergreifen wird. Sie wollen raus und endlich erfahren, was geschehen ist. Ich spüre Furcht und Wut. Beinahe kann ich sie riechen.
    Officer Macon führt uns zu einer Zelle am Ende des Flurs, der einzigen, hinter deren Fenster kein Gesicht zu sehen ist und deren Tür einen Spaltbreit offen steht. Marino verteilt die Schutzkleidung. Wir stellen Tatortkoffer und Kameraausrüstung auf den Boden. In Kathleen Lawlers Zelle, kleiner als eine Pferdebox, blättert GBI-Ermittler Sammy Chang in einem Notizbuch, das er offenbar zwischen den Büchern und weiteren Notizblöcken auf den beiden grau lackierten Metallregalen hervorgezogen hat. Seine behandschuhten Finger schlagen Seiten um. Er ist von Kopf bis Fuß in weißes Tyvek gehüllt, das Marino als Overkill-Klamotten bezeichnet, weil er noch aus einer Zeit stammt, in der Ermittler höchstens Gummihandschuhe angezogen und sich die Nase mit Vicks eingerieben haben.
    Changs Blick wandert von Marino zu mir. Dann sieht er Colin an. »Ich habe fast alles hier drin fotografiert«, verkündet er. »Ich weiß nicht, was wir sonst noch realistisch feststellen können. Schließlich ging es hier zu wie im Taubenschlag.«
    Damit meint er, dass das Wachpersonal und andere Gefängnismitarbeiter Zutritt zu Kathleens Zelle hatten. Außerdem waren im Laufe der Jahre zahlreiche andere Gefangene hier eingesperrt. Da der Fundort der Leiche dadurch verunreinigt wurde, werden uns das Sichern von Fingerabdrücken und andere kriminaltechnische Untersuchungen, wie sie in einem verdächtigen Todesfall üblich sind, hier vermutlich nicht weiterbringen. Wenn jemand im Gefängnis stirbt, ist das mit einem Mord in einem Privathaus vergleichbar, denn in beiden Situationen werden die Ermittlungen dadurch erschwert, dass Fingerabdrücke und DNA sehr wenig Aussagekraft haben, falls der Täter regelmäßig Zugang zum Tatort hatte.
    Chang drückt sich sehr verhalten aus. Er möchte nicht offen aussprechen, dass wir durch unsere gewöhnliche Vorgehensweise nichts herausfinden werden,

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