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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wieder essen zu können, was sie wollte. Ich kenne dieses Phänomen. Die Menschen schieben beiseite, was man ihnen entzogen hat, bis es wieder in ihre Reichweite rückt. Und dann denken sie an nichts anderes mehr. Essen. Sex. Alkohol. Drogen.«
    »In ihrem Fall vermutlich alles obengenannte«, dröhnt Marinos laute Stimme von der Rückbank.
    »Meiner Ansicht nach ging Kathleen davon aus, dass man ihr für ihre Kooperation ein Angebot machen würde«, sage ich zu Colin, während ich eine SMS an Benton schreibe. »Sie hat gehofft, Haftverkürzung zu bekommen und bald wieder auf freiem Fuß zu sein.«
    Ich teile Benton mit, dass er und Lucy mich nach ihrer Landung in Savannah wahrscheinlich nicht werden erreichen können, weil ich unterwegs zu einem Todesfall sei, und nenne den Namen der Verstorbenen. Dann bitte ich ihn, mir sofort Bescheid zu sagen, wenn es in Sachen Dawn Kincaid und ihrem angeblichen Asthma zu neuen Entwicklungen kommt.
    »Hat sich eigentlich schon mal jemand die Mühe gemacht, Jaime Berger darauf hinzuweisen, dass sie hier bei den Staatsanwälten und Richtern nichts, aber auch gar nichts zu melden hat?« Colin schaut in den Rückspiegel und richtet die Frage an Marino.
    »Bei diesen Windgeräuschen verstehe ich Sie nicht richtig«, ruft er.
    »Vermutlich wollen Sie nicht, dass ich die Fenster zumache«, erwidert Colin.
    »Ganz gleich, ob Jaime hier etwas zu melden hat oder nicht, würde ich den Einfluss eines von ihr angeregten organisierten Protests nicht unterschätzen, insbesondere heutzutage in Zeiten des Internet«, erinnere ich Colin daran, welchen Schaden Jaime Berger anrichten könnte. »Es ist ihr durchaus zuzutrauen, dass sie gesellschaftlichen und politischen Druck ausübt. Dann passiert etwas Ähnliches wie vor kurzem in Mississippi, als Bürger- und Menschenrechtsorganisationen den Gouverneur gezwungen haben, die Urteile gegen zwei Schwestern, die wegen Raubs lebenslänglich bekommen hatten, wieder aufzuheben.«
    »Das ist ja lächerlich«, schnaubt Colin verächtlich. »Wer kriegt denn lebenslänglich für Raub?«
    »Ich kann hier hinten kein Wort verstehen.« Marino kauert auf der Kante der Rückbank und beugt sich vor. Er ist durchgeschwitzt.
    »Du musst dich anschnallen«, überschreie ich den heißen Wind, der durchs Fenster hereinweht. Der Motor knurrt laut, als brenne der Land Rover darauf, sich durch eine Wüste oder eine felsige Anhöhe hinaufzuarbeiten, und werde auf einer braven Teerstraße vor Langeweile unruhig.
    Wir kommen gut voran. Inzwischen sind wir auf dem 204 East und fahren, vorbei an der Savannah Mall, an Marschen und kilometerweiten Wäldern und Unterholz. Die Sonne steht genau über uns. Ihre Strahlen sind so grell wie ein Schuss aus einer Leuchtpistole und blenden mich in den Augen, als sie auf den gedrungenen Kühler des weißen Land Rover und die Windschutzscheiben des Gegenverkehrs niederbrennen.
    »Ich möchte darauf hinaus«, wende ich mich wieder an Colin, »dass Jaime keine Skrupel hätte, an die Presse zu gehen und Georgia als Trutzburg bigotter Barbaren hinzustellen. Es würde ihr sogar Spaß machen. Und ich bezweifle, dass Tucker Ridley oder Gouverneur Manfred erfreut darüber wären.«
    »Das ist inzwischen hinfällig«, entgegnet Colin.
    Da hat er, zumindest im Fall Kathleen Lawler, recht. Jetzt wird sie nie mehr in den Genuss einer Bewährungsstrafe oder einer Haftverkürzung kommen. Und sie wird nie wieder essen können wie ein freier Mensch.
    »Um acht Uhr heute Morgen wurde sie in einen Freigangkäfig gebracht, um sich eine Stunde lang die Beine zu vertreten«, fährt Colin fort und erklärt mir, man habe ihm gesagt, die eine Stunde Hofgang pro Tag werde im Sommer auf die frühen Morgenstunden verlegt.
    Offenbar sei Kathleen langsamer als gewöhnlich im Kreis herumspaziert, häufig stehengeblieben und habe sich über die Hitze beklagt. Sie sei müde gewesen und habe wegen der Schwüle nicht richtig Luft bekommen. Bei ihrer Rückkehr in ihre Zelle kurz nach neun habe sie sich bei ihren Mitgefangenen beschwert, sie sei wegen der Hitze erschöpft und hätte besser drinnen bleiben sollen. In den nächsten Stunden wiederholte Kathleen mehrere Male, sie fühle sich nicht wohl, sei völlig erledigt und habe Mühe, sich zu bewegen und durchzuatmen.
    Sie habe befürchtet, sie könnte ihr Frühstück nicht vertragen haben. Außerdem hätte sie nicht in der feuchten Hitze herumlaufen sollen, bei der ja sogar ein Pferd umkippen würde, wie sie es angeblich

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