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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Heute trägt sie, anders als gestern, kein elegantes schwarzes Kleid, sondern ein spießiges hellblaues Kostüm, eine grell geblümte Bluse mit einer langen Schleife am Ausschnitt und flache Sandalen.
    »Vermutlich sind Sie mit Dr. Dengate hier«, wendet sie sich an mich, und ich spüre die Enttäuschung und Feindseligkeit, die von ihr ausgehen. »Ich dachte, Sie wären schon wieder in Boston.«
    Also hat sie mich weit weg im Norden oder zumindest unterwegs dorthin vermutet. Ich merke ihrem Gesichtsausdruck an, dass sie fieberhaft überlegt, in welcher Weise meine Anwesenheit die nun kommenden Ereignisse beeinflussen könnte.
    »Das ist mein Chefermittler«, stelle ich Marino vor.
    »Und was wollen Sie hier in Savannah?« Sie bemüht sich nicht einmal, höflich zu sein.
    »Fischen«, entgegnet Marino.
    »Und was fangen Sie so?«
    »Hauptsächlich Adlerfische«, erwidert Marino.
    »Nun, wir sind Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie uns Ihre Zeit opfern«, sagt sie zu Colin, während Officer Macon und zwei andere uniformierte Wachleute unsere Tatortkoffer und Ausrüstung kontrollieren.
    Als sie auch die Schutzkleidung überprüfen wollen, hält Colin sie zurück.
    »Nein, das dürfen Sie nicht anfassen«, weist er sie zurecht. »Außer Sie wollen, dass Ihre DNA an die Sachen gerät. Und das möchten Sie sicher nicht, da wir noch nicht wissen, woran die Dame gestorben ist.«
    »Lassen Sie sie einfach durch.« Die Stimme der Direktorin klingt plötzlich schneidend wie die eines Militärkommandanten. »Sie kommen mit«, befiehlt sie Officer Macon. »Wir werden sie zu Haus Bravo begleiten.«
    »Sammy Chang vom GBI sollte schon dort sein«, merkt Colin an.
    »Ja, ich glaube, das war der Name des GBI-Manns, der die Zelle durchsucht hat. Wie wollen Sie die Sache regeln?« Mit Colin spricht sie in einem völlig anderen Tonfall, so als sei ich nicht vorhanden und als handle es sich um einen bloßen Freundschaftsbesuch.
    »Welche Sache?« Die erste Stahltür öffnet sich und fällt mit einem ohrenbetäubenden Scheppern hinter uns ins Schloss. Dann geht die nächste Tür auf und wieder zu. Officer Macon marschiert drei Meter voraus und spricht über Funk mit der Kontrollstelle.
    »Wir könnten den Transport in Ihr Institut in die Wege leiten «, schlägt sie vor.
    »Ich habe es gern einfach und unkompliziert. Das heißt, wir kümmern uns selbst darum«, entgegnet Colin. »Einer unserer Wagen ist bereits unterwegs.«
    Der Flur, den die Direktorin uns entlangführt, wirkt wie ein Labyrinth, weil jede Ecke, jede geschlossene Tür und jeder angrenzende Korridor von den großen gewölbten Spiegeln reflektiert wird, die hoch oben an den Wänden hängen. Alles besteht aus grauem Beton und grünem Stahl. Dann treten wir wieder in den drückend heißen Nachmittag hinaus. Grau gekleidete Frauen huschen, lautlos wie Schatten, über den Gefängnishof, gehen in Grüppchen zwischen den Gebäuden umher und jäten am Rand der Wege Unkraut mit der Hand. Unter einigen Mimosenbäumen haben sich drei Windhunde versammelt und kauern oder liegen hechelnd im Gras.
    Die Insassinnen blicken uns mit ausdruckslosen Mienen nach. Ich bin sicher, dass sich die Nachricht von Kathleen Lawlers Tod schon in sämtlichen Häusern herumgesprochen hat. Ein bekanntes Mitglied ihrer Gemeinschaft, das dem Vernehmen nach gegen seinen Willen in Einzelhaft verlegt wurde, da man befürchtete, die Mitgefangenen könnten ihm Schaden zufügen, hat im Hochsicherheitstrakt keine zwei Wochen überlebt.
    »Sie werden nicht lange rausgelassen«, richtet Tara Grimm endlich das Wort an mich, während Officer Macon das Tor zu Haus Bravo öffnet. Mir wird klar, dass sie die Hunde meint. »Bei diesem Wetter bleiben sie die meiste Zeit drinnen, außer wenn sie Gassi müssen.«
    Ich male mir aus, zu welchen Komplikationen es in einem Gefängnis führt, wenn einer der geretteten Windhunde seine Notdurft verrichten möchte.
    »Natürlich sind sie mit ihren langen Schnauzen und dem schlanken Körperbau gut an die Hitze angepasst. Sie haben keine Unterwolle. Sicher können Sie sich vorstellen, wie heiß es auf der Rennbahn wird. Also kommen sie hier gut zurecht. Aber wir sind vorsichtig«, fährt sie fort, als hätte ich sie der Tierquälerei bezichtigt.
    Schlüssel klappern an der langen Kette an Officer Macons Gürtel, als er die Tür von Haus Bravo aufsperrt. Wir betreten eine trübe, ganz und gar graue Welt. Beinahe spüre ich die erhöhte Wachsamkeit, als wir an dem verglasten Turm

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