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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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bereits weiß. »Es war falsch von ihr, dir solche Vorwürfe zu machen, und unehrlich, dich als Problemfall hinzustellen anstatt sich mit dem auseinanderzusetzen, was sie an sich selbst nicht ertragen konnte. Dennoch hätte ich mich vergewissern sollen, ob mit ihr alles in Ordnung war, bevor ich ging. Ich hätte aufmerksamer sein müssen.«
    »In Wirklichkeit meinst du achtsamer.«
    »Ich war sehr wütend. Sie war mir gleichgültig. Es tut mir leid …«
    »Warum hätte sie dir nicht gleichgültig sein sollen? Weshalb war es deine Aufgabe, dich um sie zu kümmern?«
    Ich suche nach der richtigen Antwort, weil die, die passen würde, die falsche wäre. Ich hätte mich um sie kümmern müssen, weil sie ein Mensch war. Weil es sich so gehört. Aber ich habe es nicht getan.
    »Ironie des Schicksals war, dass sie sich sowieso schon tief genug reingeritten hatte«, sagt Lucy.
    »Wir haben nicht das Recht, das zu entscheiden. Vielleicht hätte sie doch noch eine Chance gehabt. Menschen können sich verändern, und es ist schrecklich, dass ihr jemand diese Möglichkeit genommen hat.« Ich taste mich vorsichtig weiter wie über einen steinigen Pfad, auf dem ich jederzeit stolpern und mir sämtliche Knochen brechen könnte. »Ich bedaure, dass meine letzte Begegnung mit ihr so unerfreulich war, weil wir so viele schöne gemeinsame Stunden hatten. Es gab einmal eine Zeit, als sie …«
    »Ich verzeihe ihr das nie.«
    »Zornig zu sein ist einfacher als traurig«, meine ich.
    »Ich werde weder verzeihen noch vergessen. Sie hat mich ans Messer geliefert und belogen. Dich ebenfalls. Irgendwann hat sie so viel gelogen, dass sie den Bezug zur Wahrheit verloren und ihren eigenen Mist tatsächlich geglaubt hat.«
    Lucy bewegt den Cursor auf Play und berührt das Mousepad. Der Film wird abgespult. Backstein, Stufen und ein Eisengeländer in verschiedenen Grautönen. Dazu das Motorengeräusch der Autos, die an Jaimes Haus vorbeifahren. Scheinwerfer blitzen auf. Lucy klickt eine andere Datei an und öffnet ein weiteres Fenster. Eine Gestalt nähert sich. Sie ist schlank und geht zu Fuß. Ich nehme an, dass es dieselbe junge Frau ist. Allerdings ohne Fahrrad und anders gekleidet als letzte Nacht. Sie überquert die Straße, und dann kommt wieder der plötzliche grelle Lichtschein, als ob sie eine Außerirdische wäre. In aller Seelenruhe geht sie zur Eingangstür. Ihr Kopf leuchtet wie ein Heiligenschein.
    »Die Frau hatte etwas anderes an«, sage ich zu Lucy.
    »Sie kundschaftet die Umgebung des Hauses aus«, erwidert sie. »Testläufe. Inzwischen bin ich auf fünf in den letzten zwei Wochen gestoßen.«
    »Letzte Nacht trug sie ein helles Hemd. Von wann ist diese Aufnahme …?«, will ich fragen, halte aber inne, als ich Jaime Bergers Stimme höre.
    »… mir ist klar, dass ich wieder einmal gegen meine eigene Kontaktsperre verstoße.« Die vertraute Stimme hallt aus dem Lautsprecher. Lucy stellt den Ton lauter, während die Gestalt im Video in der dunklen Straße vor Jaimes Haus verschwindet. »Vermutlich kannst du dir denken, dass Kay inzwischen hier ist und mir bei einem Fall helfen wird. Wir haben gerade zu Abend gegessen, und ich fürchte, sie ist sauer auf mich. Wenn es um dich geht, kämpft sie stets wie eine Löwin, und das war nicht hilfreich. Mein Gott, das ist es nie gewesen. Es als tragische Dreieckskonstellation zu bezeichnen, wäre noch milde ausgedrückt. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass sie auch im Zimmer ist. Ganz gleich, in welchem Zimmer. Licht aus, hallo, Tante Kay, bist du da? Nun, ja, das haben wir ja schon zum Erbrechen durchgekaut …«
    »Stopp«, sage ich zu Lucy, worauf sie beide Dateien anhält. »Hat sie dich unter deiner neuen Nummer angerufen? Wann war das?« Allerdings glaube ich, es zu wissen.
    Jaimes Stimme stockt, und ihre Sprache ist verwaschen. Sie klingt in etwa so wie letzte Nacht, als ich gegangen bin, nur noch angeschlagener und gehässiger. Ich werfe einen Blick auf das BlackBerry in seinem Ladegerät.
    »Dein altes Telefon«, stelle ich fest. »Du hast deine Nummer nicht geändert, sondern dir einfach eine neue besorgt, als du auf das iPhone umgestiegen bist.«
    »Meine neue Nummer hatte sie nicht. Ich habe sie ihr nie gegeben, und sie hat auch nicht darum gebeten«, erwidert Lucy. »Ich benutzte es nicht mehr.« Sie deutet auf das BlackBerry.
    »Aber du hast es behalten, weil sie weiter dort angerufen hat.«
    »Das war nicht der eigentliche Grund, doch sie hat angerufen. Nicht oft.

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