Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
wieder aus dem Teig ziehen muss. Letztlich bin ich hinter dem Intranet-Link von Coastal Security zu den Archivdateien der Firma her. In anderen Worten, einer toten Seite, die die Rechnungsdaten der einzelnen Kunden enthält. Es nervt, wie lange das dauert.«
»Vielleicht solltest du auch nach Gloria Jordan suchen«, schlage ich vor. »Wir wissen nicht, wer den Vertrag abgeschlossen hat. Er könnte auf eine GmbH gelautet haben.«
»Das ist überflüssig, und eine GmbH ist auch nicht das Problem. Ihre Daten sind mit seinen, denen der Kinder und den Steuererklärungen verknüpft. Außerdem mit allem, was in den Medien kam, mit Blogs und mit den Polizeiakten. Alles ist vernetzt. Denk an einen Entscheidungsbaum. Hat sie gestern Abend dir gegenüber erwähnt, sie fühle sich verfolgt, beobachtet oder sogar bedrängt?«
»Jaime?«
»Irgendeine Anspielung. Jemand, der ihr komisch vorgekommen ist? Der vielleicht überfreundlich war?«
»Ich habe nicht danach gefragt.«
»Warum hättest du das auch tun sollen?« Lucy starrt auf die vorbeigleitenden Daten.
»Wegen der Alarmanlage und der Kameras«, erwidere ich. »Außerdem hat sie angefangen, eine Waffe zu tragen. Einen .38er Smith & Wesson mit Hochgeschwindigkeits-Hohlmantelgeschossen.«
Schweigend betrachtet sie die Daten.
»Dein Einfluss?«, erkundige ich mich.
»Von einem Revolver weiß ich nichts«, antwortet Lucy. »Ich hätte ihr nie zu einer Waffe geraten. Niemals. Ich habe ihr auch weder eine besorgt noch ihr Schießunterricht erteilt. Sie war unbegabt.«
»Inzwischen bin ich nicht mehr so sicher, dass es nicht nur Paranoia war, weil sie sich im Süden fremd gefühlt hat. Ich hätte sie fragen müssen, ob sie Angst hatte oder bedroht wurde, und wenn ja, warum. Aber ich habe es nicht getan.« Ich schäme mich, während ich auf Lucys Vorwürfe warte. »Außerdem habe ich mich nicht vergewissert, ob mit ihr alles in Ordnung ist, bevor ich ging. Erinnerst du dich, was ich dir früher immer gepredigt habe?«
Lucy schweigt.
»Weißt du noch? Verabschiede dich nie im Zorn.«
Keine Reaktion.
»Und lass die Sonne nicht über deiner Wut untergehen«, beende ich den Satz.
»Das habe ich immer als deine Todessprüche bezeichnet. Alles war darauf ausgerichtet, dass jemand sterben oder etwas zum Tod führen könnte«, entgegnet sie, ohne mich anzuschauen. »Überall wird, unabhängig vom Alter oder der Ungeschicklichkeit des Betreffenden, eine Kindersicherung eingebaut. Die Kordeln von Jalousien, Treppen, Balkone mit niedrigen Geländern oder harte Bonbons, an denen man ersticken könnte. Nicht rennen, wenn du eine Schere, einen Stift oder einen sonstigen spitzen Gegenstand in der Hand hast. Telefoniere nicht beim Autofahren. Geh nicht joggen, wenn ein Gewitter droht. Schau immer nach links und nach rechts, selbst wenn es eine Einbahnstraße ist.« Lucy beobachtet die vorbeigleitenden Daten. Sie sieht mich nicht an. »Lauf nach einem Streit nicht davon. Was, wenn der Betreffende anschließend bei einem Verkehrsunfall stirbt, vom Blitz erschlagen wird oder sein Aneurysma platzt?«
»Ich bin wohl eine schreckliche Nervensäge.«
»Du nervst dann, wenn du glaubst, aus irgendeinem Grund über Gefühlen zu stehen, wie wir anderen Menschen sie haben. Ja, du bist gestern Nacht im Zorn gegangen. Ich weiß noch, wie wütend du warst. Du hast dich am Telefon bis drei Uhr morgens darüber ausgelassen, schon vergessen? Und du hattest allen Grund dazu. Du hattest ein Recht darauf. Ich wäre an deiner Stelle auch wütend gewesen, wenn sie solche Sachen über dich gesagt hätte oder so mit dir umgesprungen wäre.«
»Ich hätte bleiben und das Problem mit ihr ausdiskutieren sollen«, widerspreche ich. »Dann hätte ich vielleicht auch bemerkt, was körperlich mit ihr los war. Ich hätte erkannt, dass ihre Symptome nicht am Alkohol lagen.«
Sie deutet auf die Computer. »Ist dir klar, wie leicht es für mich war, in ihre Überwachungskameras reinzukommen? Erstens war sie nachlässig, was ihre Passwörter betraf. Sie hat immer wieder dieselben verwendet, damit sie sie nicht vergisst und sich selbst aussperrt. Das mit der IP-Adresse war ein Kinderspiel. Ich habe mir einfach mit meinem iPhone selbst eine Mail geschickt, während ich vor der Überwachungskamera stand, und schon hatte ich die IP-Adresse des Anschlusses.«
»Du hast an so etwas gedacht, während ich in der Wohnung war?«
»Benton und ich haben draußen unter dem Vordach im Regen gewartet.«
Ich weiß nicht, ob ich
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