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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Meistens spät in der Nacht, wenn sie zu viel getrunken hatte. Ich habe alle Nachrichten gespeichert und in Audiodateien umgewandelt.«
    »Und dann hörst du sie dir auf dem Computer an.«
    »Ich kann sie überall hören, aber darum geht es nicht. Nur darum, sie zu sichern und dafür zu sorgen, dass sie nie verlorengehen. Sie ähneln sich alle mehr oder weniger. So wie die hier. Sie stellt nie Fragen oder bittet um Rückruf. Sie spricht nur ein paar Minuten lang und legt dann plötzlich auf, ohne sich zu verabschieden. So wie sie auch unsere Beziehung beendet hat. Anschuldigungen. Sie redet auf mich ein, ohne zuzuhören, und drückt mich weg.«
    »Du speicherst die Nachrichten, weil du sie vermisst. Weil du sie noch liebst.«
    »Nein, um mir vor Augen zu halten, warum ich sie nicht vermissen sollte. Oder lieben.« Lucys Stimme zittert, und ich höre Trauer, Enttäuschung und Wut heraus. »Damit wollte ich dir nur vermitteln, dass sie nicht klang, als sei sie krank oder litte unter Schmerzen.« Sie räuspert sich. »Sie hörte sich einfach nur an, als hätte sie getrunken, und das war eine halbe Stunde nachdem du weg warst. Also hat sie, bevor du gingst, vermutlich einen noch unbedenklicheren Eindruck gemacht. Ich kann dir die ganze Aufnahme vorspielen. Aber sie erwähnt wirklich nichts dergleichen.«
    Ich stelle mir vor, wie Jaime in ihrem rotbraunen Bademantel von Zimmer zu Zimmer geht, teuren Scotch trinkt und durch das Fenster Marinos Auto nachblickt. Ich weiß nicht mehr, wann genau wir losgefahren sind, doch es war etwa um dieselbe Zeit, als sie Lucys alte Nummer anrief, um ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Offenbar hat sich ihr Zustand erst später verschlechtert. Ich denke an den Nachttisch mit dem verschütteten Whisky, das Telefon unter dem Bett und an die im Badezimmer verstreuten Medikamente und Kosmetika. Vermutlich ist Jaime eingeschlafen und gegen zwei oder drei aufgewacht, weil sie keine Luft mehr bekam und kaum noch schlucken konnte. Wahrscheinlich hat sie in ihrer Panik etwas gesucht, um diese beängstigenden Symptome zu lindern.
    Symptome, die, wie ich mich entsinne, auf unheimliche Weise denen ähneln, die Jaime mir geschildert hat, als wir über Barrie Lou Rivers’ Tod und Lola Daggettes bevorstehende Hinrichtung an Halloween sprachen. Grausam und unangemessen und laut Jaime Folter. Ich habe gedacht, dass sie dramatisiert, um mich zu überzeugen, aber vielleicht war das ein Irrtum. Möglicherweise war sie näher an der Wahrheit, als sie ahnte.
    »Dein Verstand ist wach, aber du kannst nicht sprechen. Du kannst dich nicht bewegen oder auch nur die kleinste Geste machen, und deine Augen sind geschlossen. Du wirkst bewusstlos. Doch deine Zwerchfellmuskeln sind gelähmt, und du spürst den Schmerz und die Panik des Erstickungstodes. Du erlebst dein eigenes Sterben mit, und dein Organismus rebelliert. Schmerz und Panik. Nicht nur Tod, sondern eine sadistische Bestrafung«, beschreibe ich, wie Jaime die Hinrichtung mit der Todesspritze und die Folgen geschildert hat, falls die Betäubung versagt.
    Ich überlege, wie ein Mörder jemandem ein Gift verabreichen könnte, das die Atmung lähmt und das Opfer daran hindert, zu sprechen und um Hilfe zu rufen. Insbesondere, wenn dieses Opfer im Gefängnis sitzt.
    »Warum sollte jemand einer Strafgefangenen über zwanzig Jahre alte Briefmarken schicken?« Ich stehe auf.
    »Weshalb sie nicht verkaufen?«, fahre ich fort. »Wären sie einem Sammler nicht etwas wert? Sie könnten natürlich auch aus einer Sammlung stammen. Vielleicht sind sie vor kurzem von einem Sammler oder einem Briefmarkenhändler erworben worden. Keine Fusseln, kein Staub, kein Schmutz, nichts klebt an der Rückseite. Sie sind auch nicht zerknittert oder schmuddelig, wie man es vermuten würde, wenn sie jahrzehntelang in einer Schublade gelegen hätten. Angeblich wurden sie von mir dorthin geschickt. In einem gefälschten Umschlag vom CFC, in dem sich außerdem ein ebenfalls gefälschter Brief mit gefälschtem Briefkopf befand. Kathleen hatte offenbar deshalb den Eindruck, dass ich ihr gegenüber großzügig gewesen bin. Ein großer, überfrankierter Umschlag, der aussah, als käme er von mir. Es war sicher noch etwas darin. Briefmarken vielleicht?« Endlich sieht Lucy mich an, und ich erkenne den Ausdruck, der sich in ihren Augen malt. Sie sind noch grüner als sonst und unbeschreiblich traurig. Und sie funkeln vor Zorn.
    »Es tut mir leid«, sage ich zu ihr, denn es ist schrecklich, sich

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