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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Und noch schlimmer: Sie ist aus New York, also ein Aggressor aus dem Norden, der in eine kleine Stadt in den Südstaaten kommt und alle Einheimischen für bigotte, verlogene und geistig zurückgebliebene Rednecks hält.
    Vermutlich ist sie auch mit dieser Einstellung auf Colin zugegangen, der in dieser Gegend aufgewachsen, ein sehr traditionsbewusster Mensch ist, Szenen aus dem Bürgerkrieg nachspielt und am St. Patrick’s Day in der Parade mitmarschiert.
    »Er ist gesetzlich verpflichtet, dir alles zu geben, was die Verurteilte entlasten könnte«, füge ich hinzu.
    »Freiwillig hat er nichts herausgerückt.«
    »Das muss er auch nicht.«
    »Er glaubt, dass ich nur jemanden brauche, der eine alternative Theorie unterstützt.«
    »Er hat allen Grund, das zu glauben, denn genau das tust du ja auch«, entgegne ich. »Du verhältst dich, wie jeder gute Verteidiger es täte. Was du mir allerdings noch nicht verraten hast, ist, warum du dich überhaupt mit der Sache befasst. Du hast bei der Staatsanwaltschaft gekündigt, und plötzlich stehst du auf der anderen Seite und verteidigst Lola Daggette. Und warum interessierst du dich für Barrie Lou Rivers?«
    »Grausame und unangemessene Bestrafung.« Jaime schenkt Wein ein. »Barrie Lou hat, als sie in der Todeszelle auf ihre Hinrichtung wartete, vor lauter Angst einen Herzinfarkt erlitten. Wessen Idee war es wohl, ihr genau so ein Sandwich wie das, mit dem sie ihre Opfer vergiftet hat, als Henkersmahlzeit zu servieren? Ihre eigene? Wenn ja, warum? Als Zeichen von Reue oder als Geste der Verachtung?«
    »Das wirst du wohl nie beweisen können«, erwidere ich.
    »Ich bezweifle stark, dass sie das Essen selbst bestellt hat«, beharrt Jaime. »Vermutlich wollte sie jemand quälen, indem er ihr vor Augen führte, was sie, festgeschnallt auf der Trage, erwartete. Er wollte ihr damit drohen, was das Hinrichtungskommando mit ihr vorhatte und wie sehr sich alle darauf freuten, dass sie endlich ihre verdiente Strafe bekam. Ja, Barrie Lou Rivers hatte eine Panikattacke. Sie wurde buchstäblich zu Tode geängstigt.«
    »Ich weiß nicht, ob es wirklich Folter war, und du wirst es auch nie beweisen können, wenn nicht einer der Beteiligten reinen Tisch macht. Außerdem bin ich noch immer neugierig, warum du dich auf einmal so dafür einsetzt«, beharre ich. »Es wundert mich, dass du auf einmal mit all deiner Kraft genau die Leute verteidigst, die du früher hinter Schloss und Riegel gebracht und den Schlüssel weggeworfen hast.«
    »So plötzlich kam das nicht. Ich führe schon seit einer Weile Gespräche. Meine Probleme mit Farbman … ich hatte einfach die Nase voll … es geht schon seit geraumer Zeit so. Ich habe Joe bereits Ende letzten Jahres gewarnt, dass ich mich nach etwas anderem umschaue und mich für Justizirrtümer interessiere.«
    »Der gute alte Joe Nale, ein Hardliner, wie er im Buche steht«, witzelt Marino und blättert einen anderen Bericht durch. »Ich hätte ja zu gern Mäuschen gespielt, als du ihm das gesagt hast«, meint er zu Jaime.
    Joseph Nale ist der Oberstaatsanwalt von Manhattan, Jaimes ehemaliger Vorgesetzter und nicht unbedingt ein Freund von Menschen oder Organisationen, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, Justizirrtümer aufzuklären. Die meisten Staatsanwälte haben, wenn sie ehrlich sind, nicht viel für Juristen übrig, die es als ihre Mission betrachten, von ihren Kollegen und den von ihnen hinzugezogenen Gutachtern begangene Fehler aus der Welt zu schaffen.
    »Ich habe ihm außerdem mitgeteilt, ich hätte mit einigen mir bekannten Anwälten beim Innocence Project gesprochen«, fährt Jaime fort.
    »Hier in Georgia?«, erkundige ich mich.
    »Beim Bundesverband in New York. Doch ich kenne Carter Roberts und habe ihn um einen Gefallen gebeten.«
    »Damit Leonard Brazzo nicht weiß, dass du hinter der Einladung steckst, Kathleen Lawler zu besuchen. Und damit ich keinen Verdacht schöpfe«, mutmaße ich.
    »Ich führe Verhandlungen mit Kanzleien und bin gerade dabei, den Kreis einzuengen«, spricht Jaime weiter, als hätte sie mich nicht gehört. »Es hängt hauptsächlich davon ab, wo ich wohnen möchte.«
    »Sicher werden die Entwicklungen im Fall Lola Daggette Einfluss darauf haben, für welche Kanzlei du dich entscheidest«, entgegne ich wenig taktvoll.
    »Natürlich eine große, die auch Ableger im Süden und im Südwesten hat«, antwortet sie und reicht mir ein Glas Wein und Marino eine Cola light. »In Bundesstaaten, wo die Republikaner

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