Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
aufgeben, einen Kolbenfresser kriegen oder explodieren«, füge ich hinzu, während der Transporter nach Norden in Richtung Fluss ruckelt.
Die meisten Restaurants und Bierlokale, an denen wir vorbeifahren, sind geschlossen. Im nächsten Moment ragt rechts das Hyatt vor uns auf, gewaltig und erleuchtet, sodass es den ganzen Häuserblock erhellt.
»Ich habe den Eindruck, dass hier alle mauern«, stellt Marino fest. »Die Leute können sich nicht erinnern. Unterlagen verschwinden.«
»Jaimes Ermittlungen in Savannah laufen erst seit kurzem, während die Sicherheitsfirma vor mindestens drei Jahren Pleite gemacht und angeblich ihre Unterlagen vernichtet hat«, wende ich ein. »Also sieht es nicht danach aus, als würde man mauern.«
»Nun, aber da scheint etwas zu sein, in das wir nach Auffassung gewisser Leute nicht die Nase reinstecken sollten.«
»Das kannst du auch nicht mit Gewissheit sagen«, entgegne ich. »Menschen, die die Tortur einer Mordermittlung und eines Gerichtsverfahrens und den damit einhergehenden Medienrummel hinter sich haben, wollen nur noch ihren Frieden. Insbesondere bei einem so grausigen Fall wie diesem.«
»Wahrscheinlich ist es am einfachsten für alle, wenn Lola Daggette die Giftspritze verpasst kriegt, und dann ist wieder Ruhe im Karton«, antwortet Marino.
»Für einige wäre es sicher das Einfachste und emotional am befriedigendsten. Wer ist eigentlich Anna Copper?«, füge ich hinzu.
»Ich habe wirklich keinen Schimmer, warum Jaime dir das erzählt hat«, erwidert Marino, als wir scheppernd vor dem Hotel halten.
»Ich frage mich, wer oder was Anna Copper oder Anna Copper LLC ist«, beharre ich.
»Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die sie seit kurzem vorschickt, wenn sie nicht möchte, dass ihr Name in Erscheinung tritt.«
»Zum Beispiel bei der Anmietung der Wohnung hier in Savannah.«
»Es überrascht mich wirklich, dass sie es dir gegenüber erwähnt hat. Ich hätte gedacht, dass sie die Existenz dieser Firma gerade vor dir verheimlichen würde.« Der Transporter keucht, als Marino ihn gegenüber der backsteingepflasterten Auffahrt abstellt. »Anna Copper ist eine Firma, die Lucy vor etwa einem Jahr gegründet hat«, erklärt er. »Es war ihre Idee, und sie hat es nicht aus edlen Beweggründen getan, sondern nachdem sie und Jaime sich gestritten hatten. Zu jener Zeit kam das vermutlich ziemlich häufig vor.«
»Gehört sie Lucy oder Jaime?«, erkundige ich mich, während er den Motor abstellt. Es wird still, und wir bleiben in der Dunkelheit sitzen. Die Luft, die durch die offenen Fenster hereinweht, ist dafür, dass es kurz vor zwei ist, noch ziemlich warm.
»Jaime. Lucy hat diese Strohfirma eingerichtet, hinter der sich Jaime verstecken kann. Unter diesem Namen tätigt sie hier alle Geschäfte, und ich muss zugeben, dass das ein wenig seltsam ist – wenigstens in meinen Augen. Als Juristin würde Jaime keine fünf Minuten brauchen, um eine neue Firma eintragen zu lassen. Warum hält sie dann an einer fest, die Erinnerungen in ihr weckt? Eigentlich sollte sie die Vergangenheit ruhen lassen und nach vorn schauen.«
»Das kann sie aber nicht.«
Jaime kann Lucy, oder zumindest das Bild von ihr, nicht aufgeben. Ich frage mich, ob Benton wohl dasselbe denkt. Als er mir die SMS geschickt hat, Anna Copper habe »keinen guten Ruf«, hat er womöglich Jaime gemeint. In diesem Fall hat er offenbar das Haus, in dem sie wohnt, überprüft und ist auf eine Mieterin namens Anna Copper LLC gestoßen. Und dann hat er herausgefunden, wer hinter der Firma steckt. Wahrscheinlich hat er es nicht als Laune des Schicksals gedeutet, dass Jaime wieder in unserem Leben aufgetaucht ist. Und vielleicht weiß er auch etwas über die Schwierigkeiten, die dazu geführt haben, dass sie New York den Rücken gekehrt hat.
Wir durchqueren die hell erleuchtete Hotelhalle, wo um diese Zeit nur ein einsamer Angestellter am Empfang sitzt und einige wenige Gäste die Bar bevölkern. Am gläsernen Aufzug drückt Marino mehrere Male auf den Knopf, als würden sich die Türen dadurch schneller öffnen.
»Mist«, sagt er. »Ich habe die dämlichen Einkäufe im Auto vergessen.«
»Hat Lucy dir je erklärt, ob der Name Anna Copper eine besondere Bedeutung hat? Woher sie ihn hat?«
»Ich erinnere mich nur noch daran, dass es etwas mit Groucho Marx zu tun hatte«, erwidert er. »Soll ich dir Wasser vorbeibringen?«
»Nein danke.« Ich steige in den Aufzug und verabschiede mich bis morgen.
15
Es war
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