Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Jersey ist auch eine Bullenhitze.«
»Was ist passiert?«
»Ich habe noch keine offiziellen Informationen und hätte dich besser nicht ängstigen sollen, bevor feststeht, ob es wirklich ein Problem gibt. Allerdings wissen wir beide, dass ihr alles zuzutrauen ist. Sie hat es geschafft, den Wachleuten und dem medizinischen Personal im Butler Hospital weiszumachen, sie müsse ins Krankenhaus. In die Notaufnahme.«
»Warum?«
»Sie hat Asthma.«
»Wenn sie es vorher nicht hatte, dann jetzt bestimmt«, höhne ich.
»Jack litt daran, und man muss ihr der Fairness halber zugutehalten, dass Asthma erblich sein kann.«
»Simulantentum und noch mehr Spielchen.« Ich habe keine Lust, fair zu sein.
»Sie wurde gegen sieben Uhr heute Morgen mit dem Krankenwagen hingefahren. Eine meiner Kontaktpersonen im Butler Hospital, die mit dem Fall nichts zu tun hat und keine konkreten Informationen besitzt, hat davon gehört und mir vor etwa einer halben Stunde eine Nachricht hinterlassen. Ich bin wirklich froh, dass du fünfzehnhundert Kilometer weit weg bist. Aber sei vorsichtig. Mir ist nicht wohl bei der Sache. Ich traue dem Braten nicht.«
»Das ist verständlich, wenn man bedenkt, von wem die Rede ist.« Schweiß rinnt mir Brust und Rücken hinunter. Die dampfige Luft steht. »Aber sie wird doch bewacht, oder?«
»Das nehme ich an. Ich weiß jedoch nichts Genaues.«
»Du nimmst es an?«
»Kay, mir ist nur bekannt, dass man sie ins Massachusetts General Hospital gebracht hat, und zwar erst vor ein paar Stunden. Schließlich können wir nicht reinstürmen und sie verhören, während sie gerade wegen angeblicher gesundheitlicher Beschwerden untersucht wird. Sie hat Rechte.«
»Natürlich hat sie die. Mehr als Normalbürger wie wir.«
»Wenn man bedenkt, wie geschickt und manipulativ sie ist, muss man selbstverständlich von einem Trick ausgehen«, stellt Benton fest.
»Vermutlich ahnen die im Massachusetts General Hospital nicht, womit sie es zu tun haben.«
»Bestenfalls müssen wir annehmen, dass es sich um eine neue Finte ihrer Anwälte handelt, um Mitleid zu erregen oder anzudeuten, dass sie schlecht behandelt wird. Vielleicht wollen sie auch ihre schwachsinnige Behauptung untermauern, du hättest ihr psychisch und körperlich Schaden zugefügt. Asthma verschlimmert sich nämlich unter Stress.«
»Schaden, den ich ihr zugefügt habe?« Ich denke an Jaimes Worte von gestern Abend.
»Das sind die Anschuldigungen, die sie gegen dich erhebt.«
»Ich wusste gar nicht, dass du glaubst, sie hätte bei Gericht eine Chance.«
»Ich sage doch nur, dass sie es behauptet. Nicht, dass sie recht hat oder dass ich ihr das abkaufe. Du klingst wirklich aufgebracht.«
»Falls dir bekannt war, dass sie mich vor Gericht zerren will, hättest du mir das mitteilen können«, entgegne ich.
Ich zittere innerlich, als mir Marinos Vorwurf einfällt, mein eigener Mann wisse von den Ermittlungen gegen mich. Wie könne er unter einem Dach mit mir leben und mir so etwas verschweigen? Und warum habe er mich einfach in die Nacht hinausgehen lassen? So, als sei ich Benton gleichgültig. Als bedeute ich ihm nichts. Als liebe er mich nicht. Marino ist eifersüchtig , halte ich mir vor Augen.
»Wir reden weiter darüber, wenn ich da bin«, erwidert Benton. »Allerdings tappst du als Einzige im Dunkeln, falls du wirklich nicht geahnt hast, dass die Verteidigung die ganze Schuld auf dich schieben wird. Lucy geht schon zum Hubschrauber, ich muss los. Ich rufe bei der nächsten Zwischenlandung wieder an.«
Nachdem er hinzugefügt hat, dass er mich liebt, lege ich auf. Die Hitze steigt vom Asphalt auf wie eine flirrende Mauer. Die Sprinkler besprühen in bogenförmigen Bewegungen die Pflanzen mit Wasser. Ich steuere auf den Eingang des Laborgebäudes zu und betrete die Vorhalle. Sie ist mit bequemen blau gepolsterten Sesseln, einem beigen und rosafarbenen Teppich mit persischem Serapimuster, Zimmerpalmen und Drucken an den eierschalfarbenen Wänden ausgestattet. Die Bilder stellen Bäume in Aspen und Gärten dar. In einer Ecke sitzt allein eine ältere Frau und starrt stumpf aus dem Fenster dieses geschmackvoll eingerichteten Raums, in dem niemand sich gern aufhält. Ich wähle Jaime Bergers Nummer.
Zum Teufel mit öffentlichen Telefonen und dem Theater, wir hätten nie miteinander gesprochen. Mich interessiert es einen feuchten Kehricht, wer uns belauschen könnte. Ich glaube ihr ohnehin kein Wort. Ihr Mobiltelefon läutet, dann springt die
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