Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
unserem letzten Treffen grundüberholen lassen.« Er setzt sich hinter seinen vollgestapelten Schreibtisch, der in einem mit Souvenirs überladenen Büro steht. »Neuer Aluminiumboden, neue Sitze, neues Gestänge von Gear Gator, neue Windschutzscheibe. Habe außerdem die Dachumrandung entfernt und schwarz pulverbeschichtet. Also alles, was das Herz begehrt. Doch die Klimaanlage habe ich mir gespart. Wenn ich ohne fahre, fühle ich mich wie ein junger Bursche frisch von der Uni. Die Fenster sind weit offen, und man schwitzt.«
»Ich nehme an, die Leute reißen sich nicht darum, bei Ihnen mitzufahren.«
»Ein weiterer Vorzug.«
Ich rücke meinen Stuhl näher heran. Zwischen uns befindet sich ein großer Schreibtisch aus Ahornholz, auf dem sich Einmachgläser voller großkalibriger Geschosshülsen aus angelaufenem Messing, aufrecht stehend wie Raketen, drängen. Außerdem sind da noch ein Aschenbecher mit dem Emblem des Geheimdiensts, gefüllt mit Bleikugeln aus dem Bürgerkrieg, Uniformknöpfen der Konföderierten, winzigen Spielzeugsauriern, Raumschiffen und Tierknochen, die vermutlich mit Menschenknochen verwechselt wurden, sowie ein Modell der CSS Hunley , eines U-Boots, das während des Bürgerkiegs in der Bucht von Charleston sank und vor etwa zehn Jahren gehoben wurde. Ich wüsste nicht, wie ich anfangen sollte, all die exzentrischen Erinnerungsstücke zu katalogisieren und zu erklären, die jede freie Fläche bedecken, die Bücherregale verstopfen und, dicht an dicht, die Wände zieren. Allerdings bezweifle ich nicht, dass hinter jedem davon eine Geschichte und eine Bedeutung steckt. Außerdem habe ich den Verdacht, dass einige der Gegenstände Spielsachen aus den ersten Jahren seiner Kinder sind.
»Das da ist eine Belobigung der CIA.« Er beobachtet mich dabei, wie ich mich umschaue, und zeigt auf einen hübschen kleinen Schaukasten an der Wand links von mir, in dem sich eine goldene Medaille mit dem Siegel der Behörde befindet. Die dazugehörige reich verzierte Urkunde preist einen wich tigen Beitrag zu den Ermittlungen der CIA, nennt aber weder den Namen des Empfängers noch ein Datum.
»Das war vor etwa fünf Jahren«, erklärt er. »Es ging um einen Flugzeugabsturz in einem Sumpf ganz hier in der Nähe. Die Passagiere waren irgendwelche Agents, obwohl ich damals nichts davon ahnte, bis plötzlich die CIA und ein paar Ihrer Rechtsmediziner der Armed Forces auf der Matte standen. Es hatte mit dem Stützpunkt für Atom-U-Boote in Kings Bay zu tun. Mehr darf ich dazu nicht sagen. Und falls Sie darüber im Bilde sind, können Sie sicherlich auch nicht darüber sprechen. Jedenfalls war es ein großer Rummel. Natürlich streng geheim. Und irgendwann später wurde ich zu einer Verleihungszeremonie nach Langley zitiert. Ein schreckliches Rumgedruckse, wie Sie sich bestimmt vorstellen können. Hatte keine Ahnung, wer wer war, und es hat mir auch niemand verraten, wofür ich die Auszeichnung bekomme und was ich groß getan habe, um sie zu verdienen. Ich habe nur den Mund gehalten und darauf geachtet, dass ich niemandem im Weg stehe.«
Er mustert mich eindringlich aus haselnussbraunen Augen, während ich noch einen Schluck kaltes Wasser trinke.
»Ich kann mir keinen Grund denken, warum Sie sich mit dem Mordfall Jordan beschäftigen, Kay.« Endlich kommt er auf die Frage zu sprechen, weshalb ich ihm gerade gegenübersitze. »Erst vorgestern habe ich einen Anruf von Ihrer Freundin Berger erhalten, die mir mitteilte, Sie würden herkommen und die Unterlagen noch einmal sichten. Nun, und mein erster Gedanke war« – er öffnet eine Schreibtischschublade –, »warum Sie sich nicht selbst bei mir gemeldet haben.« Er bietet mir Halsbonbon mit dem Extrakt der Amerikanischen Ulme an. »Haben Sie die schon mal probiert?«
Ich nehme eines, denn mein Mund und meine Kehle sind staubtrocken.
»Die beste Erfindung der Menschheitsgeschichte, wenn man einen Vortrag halten oder vor Gericht aussagen muss. Auch bei Sängern sehr beliebt. Daher kenne ich sie.« Er nimmt die Schachtel und steckt ein Bonbon in den Mund.
»Ich habe Sie deshalb nicht angerufen, Colin, weil ich erst gestern Abend von dem Termin mit Ihnen erfahren habe.« Das Halsbonbon hat eine leicht aufgeraute Oberfläche und schmeckt angenehm nach Ahornsirup.
Er verzieht das Gesicht, als hielte er meine Antwort für unglaubwürdig, und lehnt sich zurück, dass sein Stuhl quietscht. Das Bonbon bildet eine kleine Beule in seiner Wange.
»Ich bin nach Savannah
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