Blut für Blut: Thriller (German Edition)
nur ein Unterhemd darunter.«
»Eben.«
»Das kann ich doch nicht, wenn Brodersen hereinkommt …«
»Das tut er nicht, es ist Samstagabend, und selbst wenn, was dann?«
»Nein, das geht nicht.« Reza lächelte schüchtern in seine Papiere, und Rebekka fragte sich wieder einmal im Stillen: Wer war er eigentlich, dieser Reza?
Sie steckte ihr langes Haar zu einem Knoten hoch, stand auf und ging zu dem Whiteboard hinüber.
»Mehrere Personen aus Kissis Umfeld haben für die Tatzeit kein Alibi. Es handelt sich um den Exmann Jerome, die Tochter Marie-Louise, den Sohn Thomas und die Kollegen Peter, Boel und Kasper sowie um Margrethe, Anne und Tibor aus dem Hundeklub … Haleemas, Alis und Randis Alibi überprüfen wir gerade.«
»Es gibt genug Arbeit.« Reza lächelte ihr schief zu, und sie wischte sich mit dem Rand ihres T-Shirts den Schweiß von der Stirn.
»Ja, wir machen eins nach dem anderen. Wer würde von Kissis Tod profitieren?«
Rebekka schnipste mit den Fingern, und Reza zählte noch einmal auf, was sie bereits wussten. Jerome und Liam würden ungefähr sechs Millionen Kronen für den Verkauf des Hauses erben, die Kinder Thomas und Marie-Louise erbten die verbleibenden Werte, die sich auf eine Summe von ungefähr anderthalb Millionen Kronen für jeden beliefen sowie die Hälfte des Bauernhofs. Thomas konnte das Geld gut gebrauchen, er war oft in Geldnot, und Kissi hatte ihm in den letzten Jahren bereits 100000 Kronen geliehen. Das ging aus einem privaten Testament hervor, das die Bank in Kissis Schließfach gefunden hatte.
»Ich denke nicht, dass wir den Gedanken, dass dem Mord ein sexuelles Motiv zugrunde liegt, ganz verwerfen sollten.« Reza stand langsam von seinem Stuhl auf. »Kasper Rosenstand ist der Prototyp eines Mannes voll unterdrückter Aggressionen, er trifft Kissi auf seiner Laufrunde und will Sex, sie weist ihn ab, macht sich vielleicht sogar lustig, und er verliert die Beherrschung. Er schlägt sie, sie knallt mit dem Kopf gegen die Kanone und fällt bewusstlos zu Boden, er gerät in Panik und schlägt weiter auf sie ein …«
Rebekka nickte ernst.
»Er kann so ein Typ sein, Reza, aber Simonsen hat Lena, Kasper Rosenstands Exfreundin, die ihn seinerzeit wegen Körperverletzung angezeigt hat, angerufen und mit ihr gesprochen, und als Simonsen ihr zugesetzt hat, hat sie zugegeben, dass die Anzeige aus der Luft gegriffen war. Sie hatten sich gestritten, und Kasper hat sie fest am Arm gepackt, sie hat ihm eine Ohrfeige verpasst, und er hat daraufhin klargestellt, dass sie eine zurückbekommt, wenn sie nicht aufhört, Tatsache ist aber, dass er sie nicht geschlagen hat.«
»Das weiß ich. Aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass er leicht die Beherrschung verliert. Und wer weiß, vielleicht hat er ja andere Frauen geschlagen, ohne dass sie ihn angezeigt haben. Viele Frauen erstatten doch keine Anzeige, weil sie sich schämen, dass sie geschlagen werden.«
»Das ist eine Möglichkeit. Dann haben wir noch Boel Kristensen. Sowohl Marie-Louise als auch Peter Lindgren haben erwähnt, dass sie und Kissi über die Jahre des Öfteren Meinungsverschiedenheiten hatten. Sie behauptet, dass sie zur Tatzeit zu Hause war und gearbeitet hat, aber das kann niemand direkt bestätigen. Sie wohnt alleine, ihre ganze Familie ist tot, soweit ich das verstanden habe. Simonsen wollte das überprüfen. Er muss auf dem Computer eine Notiz dazu geschrieben haben.« Rebekka ging zu ihrem Schreibtisch hinüber, doch Reza hielt sie auf.
»Das hat er, und ich habe sie gelesen. Es stimmt, dass ihre Familie tot ist. Eine gleichaltrige Schwester ist zuerst gestorben, und ihr folgten die Eltern. Es waren wohl Unglücksfälle, das geht nicht deutlich aus dem Bericht hervor.«
Einen Augenblick sahen sie sich nachdenklich an, dann ging jeder an seinen Schreibtisch zurück. Rebekka rieb sich kräftig die Augen, als könnte sie dann klarer sehen. Sie ging die letzten Befragungen durch, und langsam nahm ein Gedanke Form an.
»Hör mal, Reza. Haleema hat vier Monate in Lundely gewohnt, das passt auch zu den Informationen, die ich von Kristine Berg bekommen habe. Kannst du dir vorstellen, dass sie auch in anderen Frauenhäusern gewohnt hat?«
Rezas müder Kopf tauchte über den Papierstapeln auf, und er sah sie wenig begeistert an, doch Rebekka fuhr unangefochten fort: »Als wir neulich mit ihr und ihrem Mann gesprochen haben, hatte ich das Gefühl, dass sie in mehreren unterschiedlichen Frauenhäusern gewohnt hat. Kannst du
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