Blut für Blut: Thriller (German Edition)
die einzelnen Büros der Mordkommission lagen. Ein kalter Wind blies die Treppen hinauf, und sie suchte hinter einem Wandvorsprung Schutz.
»Wir sind mitten in einer Mordermittlung. Eine Frau ist …«
»… auf dem Kastell ermordet worden«, beendete Michael den Satz. »Ich weiß, Bekka, ich habe es gerade im Radio gehört. Daran kann man nun mal nichts ändern, glücklicherweise haben wir ein paar Tage zusammen. Ich warte zu Hause auf dich.«
»Ach, das klingt gut, ich weiß nur nicht, wie spät es wird. Reza und ich sind auf dem Weg zum Exmann der Toten. Er hat heute Vormittag die Leiche identifiziert und ist völlig fertig. Es tut mir leid.«
Sie seufzte.
»Mach dir keine Gedanken, ich weiß schließlich, wie das ist«, antwortete Michael, und Rebekka wurde ganz warm ums Herz. Er war den ganzen Weg von Ringkøbing nach Kopenhagen gefahren, nur um in eine leere Wohnung zu kommen. Wenn sie an seiner Stelle wäre, hätte sie ziemlich mürrisch reagiert. Ihr fiel ein, dass auch der Kühlschrank leer war. Sie hatte vorgehabt, auf dem Nachhauseweg einzukaufen, ihn mit etwas Leckerem zu überraschen …
»Entschuldige, Schatz, dass auch so gut wie nichts im Kühlschrank ist. Ich hatte noch etwas Gutes einkaufen wollen.«
»Vergiss es, Bekka. Ich lasse mir was einfallen.« Michael lachte, und Rebekka spürte Wärme durch ihren Körper strömen.
____
»Chanel, du sollst Mami nicht weglaufen. Chaneeel.«
Anne Munks Ruf hallte durch den Churchillpark und ließ die kleine Gruppe, zu der sie gehörte, wegen ihrer Lautstärke die Gesichter verziehen. Der Hund, ein schwächlicher Cairnterrier, verweigerte ihr den Gehorsam und schnüffelte zusammen mit den anderen Hunden weiter im Gras des Wallgrabens, der das Kastell umgab. Die Gruppe spazierte seit einer Viertelstunde im Gras auf und ab, während die Hunde um sie herumsprangen.
Ein älterer Mann mit einer markanten Nase, Leon Rothenborg, blieb stehen, warf einen Blick auf seine Uhr und runzelte seine Stirn noch mehr.
»Es ist schon merkwürdig, dass Kissi nicht aufgetaucht ist. Ich habe ihr in einer SMS ausdrücklich mitgeteilt, dass wir uns um 17 Uhr zu einem frühen Abendspaziergang treffen.«
Anne Munk nickte. Sie hatte es aufgegeben, nach Chanel zu rufen, und rieb stattdessen die Handrücken gegeneinander, wieder und wieder. Ihre Knöchel waren von der Reiberei rot und geschwollen. »Ja, das ist merkwürdig, sie ist sonst immer so pünktlich«, antwortete sie und warf einen Blick zum Himmel, an dem ein paar dunkle Wolken vorbeizogen. Unheilverkündend. Sie schaute zu den anderen hin und meinte: »Wenn ihr nur nichts passiert ist.«
»Was soll ihr denn passiert sein? Natürlich ist ihr nichts passiert. Wahrscheinlich ist irgendetwas bei der Arbeit.« Leon Rothenborg sah Anne Munk aus den Augenwinkeln verärgert an, die unter seinem Blick schrumpfte. »Es ist jetzt 17 Uhr 16«, fügte er hinzu, »wir geben ihr noch fünf Minuten.«
»Gute Idee, ich muss mich auch mal kurz hinsetzen.« Margrethe Heinesen, eine kräftige Frau mittleren Alters, setzte sich atemlos auf eine nahe Bank. Sie warteten einige Minuten schweigend.
»Du bist heute so blass, Tibor. Was ist los?«, fragte Margrethe Heinesen und sah zu Tibor Budzik hin, einem gedrungenen, slawisch aussehenden Mann, der noch nicht ein Wort herausgebracht hatte.
»Nichts, nichts«, murmelte er in seinem gebrochenen Dänisch. »Bin nur müde.«
Er fuhr sich mit der Hand durch das grau durchsetzte schwarze Haar, und erneut senkte sich für eine Weile Schweigen auf die Gruppe.
»Nun, ich denke, wir sollten losgehen. Kissi ist wohl nicht recht klug, uns so lange warten zu lassen«, schnaubte Margrethe Heinesen. Ihr Hund, Balthazar, schielte von seinem gewohnten Platz zwischen ihren geschwollenen Knöcheln zu den anderen hin. Sie erhob sich mühsam, und gemeinsam gingen sie über die Brücke zum Kastell und bemerkten erst jetzt die Absperrung und das große Aufgebot an Polizeiwagen. Zwei Bedienstete standen an dem Tor zu der Festung und sahen sie mit ausdruckslosen Gesichtern an.
»Was ist denn hier los?« Leon Rothenborg spähte neugierig durch das dunkle Tor.
»Es handelt sich um eine Polizeiermittlung«, antwortete der eine Bedienstete kurz angebunden.
»Wir gehen gewöhnlich mit unseren Hunden auf dem Kastell spazieren.«
»Das können Sie jetzt leider nicht. Das Gebiet ist abgesperrt«, antwortete der Bedienstete und nickte zum Weg hin, was bedeuten sollte, dass sie auch gleich umkehren konnten. Leon
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