Blut für Blut: Thriller (German Edition)
heranlässt, deshalb muss ich mit Vorbehalt sagen, dass Kissi wohl all das war, wovon Boel selbst träumte.« Er zögerte, rang leicht nach Atem. »Außerdem hat Boel ja nur Lundely , sie hat keine Familie.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie hat früh ihre gesamte Familie verloren, einen nach dem anderen. Das war eine furchtbare Tragödie.«
»Ich gehe einmal davon aus, dass Sie Boel Kristensen nicht eingestellt hätten, wenn Sie sie nicht für kompetent halten würden«, warf Reza ein, und Peter Lindgren drehte sich schnell zu ihm um und nickte.
»Natürlich nicht. Ich meine auch nur …« Seine Stimme erstarb, und der angeschlossene Herzmonitor zeigte einen veränderten Rhythmus an. Eine Krankenschwester trat rasch ins Zimmer.
»Sie müssen jetzt gehen.«
Rebekka beugte sich schnell zu Peter Lindgren vor und griff nach seiner Hand. Sie war kühl und leicht klamm.
»Wo waren Sie Mittwochabend zwischen 17 und 22 Uhr?«
Peter Lindgrens Lider zitterten, doch er antwortete nicht. Der Herzmonitor piepte laut, und ein Arzt und zwei Krankenschwestern eilten herbei. Rebekka und Reza zogen sich schnell auf den Gang zurück, wo sie einen Augenblick stehen blieben und sich unschlüssig ansahen. Zehn Minuten vergingen, bevor die Ärztin mit der Brille zu ihnen hinauskam.
»Er ist jetzt stabil, aber zwischendurch hat er immer wieder starke Herzrhythmusstörungen. Wir werden ihm vermutlich einen Herzschrittmacher einsetzen müssen.«
Ein paar Minuten später standen sie unten im Foyer des Krankenhauses. Eine jüngere kahlköpfige Frau schob mit schleppenden Schritten einen Tropf vor sich her, und ein älterer Grönländer setzte sich draußen auf die Bank und schob eine Plastiktüte zwischen seine Beine, in der Flaschen klapperten.
»Was hältst du von Peter Lindgren?«, fragte Rebekka ihren Kollegen, der mit den Schultern zuckte, bevor er antwortete: »Ich finde, er hat auffallend schnell erwähnt, dass Kissi und Boel Kristensen sich nicht gemocht haben. Hat dich das nicht stutzig gemacht?«
»Doch, aber Marie-Louise hat Boel Kristensen ja auch als etwas problematische Bekannte erwähnt.«
»Das stimmt, und dass sie kein Alibi für die Tatzeit hat, macht sie auch nicht weniger interessant.«
Rebekka nickte nachdenklich, während sie ausparkte.
____
Rebekka wollte gerade den Computer ausschalten, als Niclas Lundell, der schwedische Ermittler, den Kopf in ihr Büro steckte.
»Hey. Kannst du mir sagen, wo ich Büroutensilien wie Druckerpapier und so etwas finde?«
»Natürlich.« Sie stand bereitwillig auf und zeigte ihm den entsprechenden Schrank draußen auf dem Gang. Niclas fand, was er suchte, und sie gingen zurück zu ihren Büros.
»Du arbeitest also mit der kognitiven Verhörmethode«, sagte Niclas. Obwohl der Gang im Dunkeln lag, spürte sie, wie er sie forschend ansah.
»Stimmt. Ich habe die Methode beim FBI studiert und interessant gefunden.«
»Das kognitive Verhörprinzip geht davon aus, dass man zuhört, ohne zu unterbrechen, dass man Vertrauen aufbaut, damit der Verdächtige redet, richtig?«
Rebekka nickte, ihr war nicht klar, worauf Niclas hinauswollte.
»Ich habe mich nur gefragt …«, Niclas zögerte kurz, »… ob man die Leute nicht immer so verhört hat? Es mag schon sein, dass die Methode bisher nicht irgendeinen schicken Namen wie kognitives Verhören gehabt hat, aber das Prinzip selbst ist doch nicht neu.«
»Da magst du recht haben«, antwortete sie selbstsicher, obwohl sie sich nicht so fühlte. Wollte er ihre fachliche Kompetenz beleidigen? »Die Methode ist jedoch über die Jahre weiterentwickelt worden, und die Tatsache, dass sie auch in den Unterricht der Polizeischule aufgenommen worden ist, hat dazu geführt, dass sich unsere Verhörergebnisse erheblich verbessert haben. Es gibt schließlich immer noch einige Ermittler, die an der härteren Vorgehensweise festhalten und glauben, dass Drohungen in einem Verhör wirkungsvoll sind, obwohl alle Untersuchungen das Gegenteil beweisen.«
»Ich glaube, dass beide Verhörmethoden effektiv sein können. Es ist wohl eher eine Frage des Temperaments.«
Rebekka merkte, dass Niclas lächelte. Sarkastisch?
Sie standen dicht nebeneinander. Sie reichte ihm nur bis zur Schulter, und ihr wurde bewusst, dass sie seinen Körper spürte, als würden sie einander berühren.
In dem Moment klingelte das Telefon in ihrem Büro, und sie ergriff die Gelegenheit, sich zu verabschieden, in ihr Zimmer zu verschwinden und die Tür hinter sich zu
Weitere Kostenlose Bücher