Blut im Schnee
Gruber und dem bleichen Martin hin und her.
Das hier ist ein Albtraum! , dachte er fassungslos.
„Und diese Fakten sagen, dass ich meinen Partner umgebracht habe, oder wie soll ich das verstehen?“, presste er schließlich hervor.
„Die Möglichkeit besteht.“
„Sie haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!“, empörte sich Kim.
„Das habe ich jetzt überhört, Frau Fischer.“
Thorsten drehte sich zu der Frau im Kittel um, die unbeteiligt dastand und noch immer keine Miene verzog. Kurzerhand fasste er den Zipper und zog den Reißverschluss weiter auf.
„Das sollten Sie nicht tun!“, warnte sie ihn, doch er ignorierte sie.
„Was wird das, Herr Klein?“, fragte Gruber, während Kim auf Martins Brust starrte. Die Nähte von der Obduktion waren mehr als deutlich zu sehen.
„Wenn ich ihn getötet habe, will ich auch wissen, wie genau ich das getan haben soll!“, erwiderte Thorsten hitzig.
Er hörte, dass Gruber einen Schritt auf ihn zu trat und er erwartete schon, dass der ihn davon abhalten würde, den Sack noch weiter zu öffnen. Doch das geschah nicht. Außer Kims aufgeregtem Schnauben und den surrenden Geräuschen von Kühlaggregaten und des sich öffnenden Reißverschlusses herrschte Stille.
Thorsten sah auf Anhieb keine Verletzungen am Oberkörper von Martin, wenn man die Schnitte der Untersuchung außer Acht ließ. Schwungvoll führte er den Zipper bis ans Fußende und zog dann die beiden Hälften der Folie auseinander. Ein blaues Tuch bedeckte Martins Schambereich.
Etwas Würde haben sie ihm gelassen …, dachte er, doch nur einen Wimpernschlag später fiel ihm auf, dass das Tuch viel zu flach auf der Haut auflag. Unnatürlich flach. Ein erschreckender Gedanke kroch ihm den Rücken hinauf und setzte sich in seinem Kopf fest.
„Sie sollten …“, setzte die Klinikangestellte an, doch ehe sie aussprechen konnte, griff Thorsten nach dem Tuch und zog es weg.
Die Luft entwich ihm keuchend aus dem Mund, als er erkannte, was Martin angetan wurde. Kim kreischte laut, gefolgt von einem dumpfen Geräusch. Thorsten bekam das nur am Rande mit. Alles, was er sah, war die Wunde zwischen Martins Schenkeln. Seine Augen suchten das Innere des Leichensacks ab, ohne Erfolg. Martin hatte seine Männlichkeit nicht nur verloren, sie war ihm, so wie es aussah, geraubt worden!
Kapitel 4
Thorstens Entsetzen vermischte sich mit blinder Wut. Waren die von der Polizei allen Ernstes der Meinung, er hätte Martin das angetan? Er wollte gar nicht darüber nachdenken, doch er kam nicht daran vorbei sich zu wünschen, dass Martin nichts gespürt hatte, als der Täter sein Messer ansetzte. Die andere Variante war einfach zu grauenvoll.
Er atmete ein paar Mal tief durch und drehte sich dann zu Gruber um. Erstaunt stellte er fest, dass der neben Kim hockte, die lang gestreckt auf dem Boden lag, und die Kittelfrau ihre Füße hochhielt.
„Es ist mir egal, was Ihre Fakten sagen. Ich habe meinen Freund nicht getötet und schon gar nicht auf diese grausame Weise“, sagte er betont ruhig.
„Sie hätten sich das nicht ansehen sollen“, erwiderte Gruber. „Und, entweder Sie sind ein hervorragender Schauspieler oder aber Sie sagen die Wahrheit“, fuhr er fort und stand auf.
„Ich verstehe nicht, weshalb Sie mich überhaupt verdächtigt haben!“
„Nun, jetzt wo Sie die Todesursache kennen … Der Pathologe hat bei Ihrem Lebensgefährten eine kleine Abweichung zu den ersten beiden Opfern gefunden. Zudem hat mir die Angestellte in Martin Brauers Unternehmen gesagt, dass er vor zwei Monaten eine Lebensversicherung abgeschlossen hat – mit Ihnen als Begünstigtem. Heute Morgen erfuhr ich von meinem Kollegen, dass Sie als Alleinerbe eingetragen sind – auch das wurde vor zwei Monaten schriftlich festgehalten.“
„Das wusste ich nicht und es ist bei vielen anderen Paaren auch so, das macht mich doch nicht gleich zum Mörder.“
„Da stimme ich Ihnen zu. Was Ihren Fall aber besonders macht, ist die Summe. Es geht hier um etwa eine Million, Herr Klein. Auch wenn Sie beteuern, Ihren Freund nicht getötet zu haben, könnten Sie jemanden engagiert haben.“
Thorsten klappte die Kinnlade runter. Er starrte den Kommissar an, als käme der von einem anderen Stern.
„Das ist nicht Ihr Ernst!“
„Ich fürchte doch. Und wenn Ihre Begleitung wieder auf den Beinen ist, möchte ich, dass Sie mit zur Dienststelle kommen.“
„Ach ja? Statt mich mit solch einem Blödsinn zu behelligen, sollten Sie sich lieber
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