Blut im Schnee
Täter durch die Straßen zieht und darauf wartet, dass ihm jemand vor die Füße läuft, der dann auch noch zufällig schwul ist. Nein, auf keinen Fall. Die ehemaligen Mitschüler von Martin waren übrigens eine Sackgasse.“
„Hm. Für mich sieht es nicht nach Planung aus. Das ist alles verwirrend.“
„Genau das wird die Absicht sein, sonst wäre der doch sicher schon geschnappt worden.“
Thorsten gab Enrique recht. Dennoch war es möglich, dass der Täter sich in verschiedenen Lokalen aufhielt, andere Gäste belauschte und auf diese Weise herausfand, ob sich ein Homosexueller unter den Gästen tummelte. Es wäre ein Leichtes, diesen zu verfolgen und auf dem Heimweg zu töten. Dafür sprach, dass die Getöteten immer unter freiem Himmel gefunden wurden. Auch die Betäubung war ein Punkt, der für einen mehr oder weniger gemeinsamen Lokalbesuch sprach. Während er das alles mit Enrique erläuterte, trank dieser seinen Tee.
„Gibt es hier Lokale, die hauptsächlich von Schwulen und Lesben besucht werden?“
„Na ja, soweit ich weiß, wäre der Treff39 noch immer die erste Adresse, auch wenn das Publikum inzwischen gemischter ist.“
„Es könnte sich lohnen, da mal hinzugehen“, murmelte Enrique.
Thorsten sah ihm an, dass er etwas im Schilde führte.
„Was hast du vor?“
„Das sage ich dir besser nicht. Ich muss dir nicht alle meine Ermittlungsmethoden verraten.“
Der Blick, den er ihm zuwarf, ließ Thorsten einen Schauer über den Rücken laufen. Und das nicht, weil er sich fürchtete … Enrique schien in ihn hineinzusehen.
***
Joachim Gruber betrat das Havanna und war erfreut, dass tatsächlich kaum Gäste da waren. Er trat an die Theke und wies sich aus, worauf der Kellner erklärte, er habe schon erwartet, dass es nicht lange dauern würde, ehe jemand vorbeikäme. Zusammen setzten sie sich an einen Tisch, der nahe der Tür stand und am weitesten von den wenigen Gästen entfernt war.
„Wie heißen Sie?“, erkundigte sich Joachim.
„Armin Kessler.“
„Also Herr Kessler, sie sagten meiner Kollegin, dass sie beobachten konnten, wie der junge Mann beim Verlassen des Lokals verfolgt wurde.“
„Richtig. Ich dachte mir nichts dabei. Erst, als ich gehört habe, dass Steven ermordet wurde, fiel es mir wieder ein. An dem Tisch da“, sagte er und zeigte drei Plätze weiter, „saß jemand, der ganz in schwarz gekleidet war. Ich wunderte mich, weil der die Kapuze nicht runtergeschoben hatte. Wie lange der da war, weiß ich nicht. Ich hatte erst wenige Minuten, bevor Steven zur Tür raus ist, Dienstbeginn. Er zahlte und nur wenig später ging er.“
„Demnach kannten Sie das Opfer?“
„Ja. Steven und seine Kollegen kommen schon öfter her. Einmal die Woche bestimmt.“
„Und als er das Lokal verließ, folgte ihm der Kapuzenmensch?“
„Ja, nur Sekunden später. Ich habe meine Kollegin noch gefragt, ob der gezahlt hat, doch sie meinte, an dem Tisch hätte sie gar nichts serviert.“
„Was macht Sie so sicher, dass es ein Mann war?“
„Na ja, sicher bin ich natürlich nicht, ich konnte das Gesicht ja nicht sehen. Ich schließe das rein von der Statur. Ich würde sagen, etwa einen Meter fünfundsiebzig groß, stämmig. Vielleicht neunzig Kilo? Kann auch durch die Kleidung täuschen, aber kräftig auf jeden Fall. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau einen so breiten Rücken haben kann.“
„Konnten Sie sehen, ob die komplette Kleidung schwarz war?“
Der Zeuge nickte. „Alles. Die Jacke sah aus wie diese Sweatshirt-Westen mit Kapuze, bisschen kalt, wenn Sie mich fragen. Die Hose hatte Cargotaschen an den Seiten. Die Schuhe waren auch schwarz, aber was das jetzt für welche waren, kann ich Ihnen nicht sagen. Die Klamotten waren so tiefschwarz, als wären sie neu oder zumindest neuwertig. Nicht verwaschen.“
„Sehr gut. Vielen Dank, Sie haben eine gute Beobachtungsgabe. Konnten Sie die Hände sehen?“
„Nein, die steckten in den Jackentaschen.“
„Wie hat er dann die Tür aufgemacht?“, wunderte sich Joachim.
„Vermutlich mit der Hand, aber das konnte ich nicht sehen, der Körper verdeckte alles.“
„In Ordnung. Ihre Beschreibung hilft uns weiter.“ Joachim reichte ihm seine Visitenkarte. „Würden Sie mich anrufen, falls Ihnen noch etwas einfällt – oder ihrer Kollegin?“
„Selbstverständlich.“
Joachim bat den Augenzeugen, in den kommenden Tagen zur Dienststelle zu kommen, um die Aussage schriftlich festzuhalten.
„Danke, dass
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