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Blut ist dicker als Schminke

Blut ist dicker als Schminke

Titel: Blut ist dicker als Schminke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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eifrig auf ihrer
Schreibmaschine herum, als ich hereinkam. Die Sonnenstrahlen, die durch die
Ritzen der Jalousien fielen, lagen schimmernd auf ihrem honigblonden Haar. Von
meinem Standort aus war ihre Bluse leider absolut undurchsichtig, so daß ich
nicht feststellen konnte, ob sie sich endlich auch zur büstenhalterlosen Mode
hatte bekehren lassen.
    »Wenn Sie ins Büro kommen«,
bemerkte sie, ohne einen Anschlag auszulassen, »überfällt mich immer dieses
komische Gefühl, als wollte mir jemand mit einem Ruck sämtliche Kleider vom
Leib reißen. Wenn ich dieses Gefühl bekomme, dann weiß ich, daß Al Wheeler mich
ansieht .«
    »Und wenn ich Sie ansehe,
überkommt mich immer ein Gefühl melancholischer Romantik«, gab ich in
sehnsüchtigem Ton zurück. »Ich rieche den Duft von Magnolienblüten und sehe den
silbernen Vollmond hoch über dem Wabash , während wir
Hand in Hand am glitzernden Fluß entlangschlendern. Ich bin eben noch nicht so
verdorben von der Sexwelle wie Sie .«
    »Als ich noch in der
Mittelschule war, kannte ich einen Jungen, der hat genauso gequasselt«,
versetzte sie, ohne die Finger einen Moment stillzuhalten. »Er war unheimlich
romantisch. Als wir das erstemal zusammen ausgingen,
kamen wir gar nicht bis zum Fluß. Kaum waren wir hinter dem ersten Baum, da
packte er mich und warf mich zu Boden .«
    »Und dann ?« drängte ich.
    »Dann habe ich ihn mit einem
Haken niedergestreckt«, antwortete sie. »Und danach hat er mich für immer in
Ruhe gelassen .«
    »Mit einem Haken wohin ?« echote ich.
    »Das bleibt mein Geheimnis. Es
könnte einmal der Tag kommen, an dem ich wieder in Bedrängnis gerate, Al
Wheeler, und es fällt mir gar nicht ein, Ihnen Gelegenheit zu geben, sich auf
den Angriff vorzubereiten .«
    »Ich werde eben immer
verkannt«, seufzte ich.
    »Wollten Sie etwas Bestimmtes,
oder sind Sie nur gekommen, um mich von der Arbeit abzuhalten ?« erkundigte sie sich.
    »Ach ja, ich wollte ja mit dem
Sheriff sprechen«, sagte ich.
    »Am Donnerstag nachmittag ?«
    »Sie meinen, donnerstags
verwandelt er sich in einen Werwolf und treibt auf dem Bald Mountain sein
Unwesen ?«
    »Donnerstags spielt er Golf .«
    »Gott, hat der Mann ein schweres
Leben«, murmelte ich. »Hat Dr. Murphy den Obduktionsbefund schon vorbeigebracht ?«
    »Liegt auf Ihrem Schreibtisch«,
erwiderte Annabelle und schauderte plötzlich. »Mir ist schon vom Lesen schlecht
geworden .«
    Ich nahm den Bericht von meinem
kleinen, schäbigen Schreibtisch und überflog ihn. Er bestätigte das, was Murphy
mir schon am Abend zuvor gesagt hatte. Der Tod mußte gegen dreiundzwanzig Uhr
eingetreten sein. Todesursache: Durchtrennung der Halsschlagader. Im Blut war
kein Alkohol nachgewiesen worden, und das war so ziemlich alles. Ich warf den
Bericht wieder auf meinen Schreibtisch und blickte nachdenklich Annabelle an.
Das half auch nichts; ihre Bluse blieb undurchsichtig.
    »Beinahe hätte ich es vergessen .« Sie hob den Kopf und fing meinen Blick auf. »Durch die
Bluse kann man doch nicht durchsehen, oder ?«
    »Nein«, antwortete ich
bedauernd.
    »Dann brauche ich sie also
nicht umzutauschen«, stellte sie erleichtert fest. »Man versicherte mir
nämlich, sie liefe nicht ein und wäre absolut leutnantssicher .«
    »Sie haben es schon wieder
vergessen«, erinnerte ich sie.
    »Was?«
    »Das, was Sie beinahe vergessen
hätten.«
    »Eine Mrs. Janos hat vor
ungefähr einer Stunde angerufen und nach Ihnen gefragt«, sagte sie. »Sie müßte
Sie dringend sprechen .«
    »Wie gut, zu wissen, daß man
noch irgendwo gebraucht wird«, meinte ich.
    »Ja, eine einmalige Gelegenheit
für Sie«, versetzte sie zuckersüß. »Ich werde dem Sheriff sagen, daß Sie hier
waren, Al. Und vergessen Sie nicht, uns zu schreiben, wenn Sie bei ihr eine
Dauerstellung haben .«
    Die Fahrt zur Villa von Ludovic
Janos dauerte knapp fünfundvierzig Minuten. Es war halb sechs, als ich meinen
Wagen vor dem imposanten Haus abstellte. Mrs. Janos öffnete mir keine fünf
Sekunden, nachdem ich geläutet hatte, und in ihren blauen Augen stand ein warmes
Leuchten des Willkommens. Sie trug eine schwarze Jerseybluse mit tiefem, rundem
Ausschnitt und dazu einen knöchellangen, schwarzen Crêperock. Einen
merkwürdigen Moment lang hatte ich das Gefühl, der erste Gast zu sein, der zu
früh zur Cocktailparty eingetroffen war.
    »Es ist nett, daß Sie kommen,
Leutnant«, sagte sie mit ihrer kehligen Altstimme.
    »Mir wurde ausgerichtet, es sei
dringend .«
    »Ich bin verwirrt

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